Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Fragment eines Aquädukts in unserer Umgebung auswies. Wir fanden unser ursprüngliches Lager nicht. Eingefallene Höhlen, angefüllt mit lederhäutigen Eiern, zernarbten die Landschaft. Mehr als nur Sandstürme hatten den Ruinen zugesetzt. Die Brücken ruhten auf der Saat ihrer eigenen Zerstörung – ein Rudel Känguruhratten-Wintertruppen kroch über die Gebäude wie Ameisen auf einem Kadaver, brachen Stücke heraus, aßen oder tobten nur umher wie Sandfliegen.
    Linker gab ihnen ihre Namen. Er schoß enthusiastisch Bilder. Als ausgebildeter Exobiologe war er vor purer Aufregung und Spekulation aufgelöst. Seine gegenwärtige Theorie ist, daß die Wintertruppen auf einem Zerstörungsgelage waren, das in ihren Genen programmiert ist. Wir zogen uns auf den Schlitten zurück, unsicher, ob wir ebenfalls überschwemmt werden könnten.
    Linker brabbelte – entschuldigen Sie, erläuterte – den ganzen Weg zum Lander zurück. »Es ist, als wäre Giambattista Vico vom Friedhof auferstanden!« Wir hörten kaum hin. »Hinaus mit dem Alten, rein mit dem Neuen! Vicos geschichtlicher Ricorso veranschaulicht.«
    Cobb und ich waren weitaus weniger begeistert. »Scheißkerle«, murrte er. »Wie lange wird es wohl dauern, bis sie uns finden?«
    Darauf konnte ich nicht unmittelbar etwas erwidern. Wie in jeder Situation in meinem Leben, entschied ich mich, meinen Gefühlen zu vertrauen und den Ausgang der Dinge abzuwarten.
    Cobb war präskriptiv. Unglücklicherweise erhoben sich unser Lander und der Segler über den Boden wie eine vereinzelte Scherbe einer Aquäduktbrücke. In diesem Stadium ihres jungen Lebens konnten die Wintertruppen nicht anders, als alles zu überschwemmen.
    Vor einer Stunde trotzte ich den Störungen und unserer Verwirrung und gab eine Beschreibung unseres Fundes durch. Bisher haben wir keine Erwiderung auf unsere Anfrage nach Erstkontakt-Anweisungen erhalten. Die Wahrscheinlichkeit war so gering, daß niemand damit gerechnet hatte.
    Die Nachricht war möglicherweise unverständlich gewesen.
    Aber genug des Pessimismus. Wohin führt uns das alles? Was sollen wir davon halten?
    Gentlemen, wir befinden uns auf dem Wendepunkt von Zyklen. Wir sind Zeugen vom Ende des grünen und rostfarbenen Mars der menschlichen Jugend, der übersät war von märchenhaften Brücken und gebändigten Seen und gelangen zu einer grimmigeren, praktischeren Welt, die sich für einen langen Winter rüstet.
    Wir haben die weißen Marsianer nicht im Detail studiert und können daher nicht wissen, ob sie intelligent sind oder nicht. Sie mögen die neuen Herren des Mars sein. Wie sollen wir ihnen begegnen – passiv, wie Linker denkt, daß wir vorgehen sollten, oder wie Cobb glaubt: uns gegen Kreaturen verteidigen, die zur brüderlichen Ordnung der Denkenden gehören mögen?
    Was kommt auf uns zu, wenn wir uns nicht verteidigen?
    Laßt unsere Theologen und Exobiologen darüber spekulieren. Wären wir die ersten, die die Sünde eines interplanetaren Kains begehen würden? Oder sind es die Marsianer?
    Es wird uns morgen neun oder zehn Stunden kosten, die Landerrampen abzustützen. Unser Segler steht mit halb eingezogenen Sylarflügeln knitternd und knatternd in dem sich erhebenden Wind, silbern gegen die niedrigen ockergelben Hügel des Swift-Plateaus.
    Sonnenlicht trifft auf die Oberfläche des Plateaus. Rosafarbener Himmel im Osten; Märchenbrücken, Märchenlandschaft! Rosafarben und traumgleich. Eiskristallwolken verdecken einen verblassenden Vorhang von Polarlicht. Der Himmel darüber ist so schwarz wie Obsidian. Zwischen dem rosafarbenen Sonnenaufgang und dem Obsidian liegt ein Band Hämatit, ein dunkler Regenbogen wie Karneolglas, möglicherweise von Kristallpulver der Aquäduktbrücken, die in die Jetströme aufgestiegen waren, verursacht. Von unserem Aussichtspunkt auf dem Plateau aus können wir Staubteufel erkennen, die Edoms östlichen Rand überqueren und die verzerrten Hügel und Klüfte der Moab-Marduk-Kette, die sich wie die Säulen eines uralten Tempels erheben.
    Nachdem ich das oben Stehende geschrieben habe, habe ich für ungefähr eine Stunde ein Nickerchen gehalten. Willy hat eine neue Karte übermittelt. Er hat Bauwerke in der Nähe des westlichen Randes vom Edom-Krater entdeckt – neuere Bauwerke, die vor einigen Tagen, als das Areal zuletzt abgesucht wurde, noch nicht da waren. Hexagonale Formationen – Mauern und etwas, das Straßen sein könnten. Von seiner Höhe aus mußten sie mit der Großen Mauer von China

Weitere Kostenlose Bücher