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Tango Mosel

Tango Mosel

Titel: Tango Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Fell des Hundes, bevor er aufstand und Quintus anleinte.
    »Dann entschuldigen Sie die Störung, und schönen Abend noch.« Damit ging er mit einem äußerst blöden Gefühl von Bord. Erst oben auf dem Damm, als der Regen wieder stärker wurde, bemerkte er, dass er seinen Schirm auf dem Deck der Neptun liegen gelassen hatte. Zurückgehen wollte er nicht mehr.
     
    Es blieb nicht bei einem Glas Rotwein. Der ersten CD von Gotan Projekt folgte eine zweite. Die spärliche Möblierung von Martins Wohnzimmer ließ ihnen viel Platz zum Tanzen. Bei Gabi hatte sich die Lockerheit eingestellt, die sie so beim Paartanz bisher in ihrem Leben nur bei Martin empfand. Bei den ersten Schritten hatte er den Tango noch leise angezählt, die ersten beiden langsam, die folgenden drei schnell.
    »Mach keinen Schritt, wenn du ihn nicht fühlst«, flüsterte er ihr ins Ohr und kicherte. »Das hab ich aus irgendeinem Film. Wenn du magst, können wir ihn uns anschauen, es geht ums Tanzen.«
    »Ich wüsste etwas, das ich lieber mag.« Sie warf den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er zog sie an sich, hob sie von den Füßen. Sie atmete seinen Geruch ein, er schwitzte leicht. Dann stand sie wieder auf dem Boden, und er führte sie weiter im Tangoschritt durch den Raum.
    »Ich rede nicht gerne beim Tanzen, die Bewegung ist meine Konversation«, sagte er. »Ich lasse mich von der Musik treiben und versuche dir zu vermitteln, wohin ich mich bewege, was als Nächstes kommt. Du besitzt wahnsinnig viel Intuition und Talent.«
    »Danke.«
    »Dich bei schöner Musik im Arm zu haben, das ist fast besser …«
    »… als Sex?«, fragte Gabi. Als er nicht antwortete, fügte sie an: »Männer, die gut tanzen, sollen sich angeblich auch ganz gut im Bett bewegen.«
    »Ich habe bisher nur ganz selten eine perfekte Tanzpartnerin gefunden, und bei dir glaube ich …«
    »Du hast bestimmt eine Menge Frauen durch das Tanzen kennen gelernt!«
    »Ich tanze nicht, um Frauen kennen zu lernen, dann könnte ich ja gleich in die Disko gehen, wenn ich das wollte, aber ich will tanzen.«
    »Okay, das glaube ich dir, aber die Begleiterscheinungen nimmst du auch in Kauf.«
    »Also, wenn du das meinst, was ich denke, dann verwechselst du einen Tangoclub mit einem Taubenschlag. In die Clubs, die ich kenne, kommen meistens Paare, das ist in Kiel nicht anders als hier in Trier.«
    »Ich dachte, du kommst aus Rendsburg?«
    »Meine Kollegin Corinna hab ich am Rande eines Tanzwettbewerbs in Düsseldorf kennen gelernt. Wir haben als Zuschauer nebeneinander gesessen.«
    »Aha, und was ist mit Rendsburg?«
    »Deine Körperhaltung hat sich geändert, halte bitte den Rücken gerade«, sagte er.
    »Wir waren bei Rendsburg«, wiederholte sie nochmals und verstärkte die Spannung in ihrem Oberkörper.
    »Das liegt ganz in der Nähe, du bist die perfekte Tanzpartnerin für …«
    »… warst du mit allen perfekten Tanzpartnerinnen im Bett?«
    Er schaute sie offen an und lachte.
     
    Zu Hause hängte Walde seine nasse Kleidung zum Trocknen ins Bad und frottierte sich die Haare.
    Im Schlafzimmer war es dunkel. Die Vorhänge waren zugezogen. Auf dem Weg zum Bett machte er Doris’ helle Haut auf dem dunklen Bettbezug aus. Es schien, als läge sie auf dem Rücken, die Arme über dem Kopf mit den Handflächen nach oben.
    »Schläfst du schon?«, flüsterte er, als er sich neben sie legte und eine Hand über ihren nackten Bauch schob.
    »So hab ich als Kind dagelegen, wenn ich es vor Angst nicht mehr aushalten konnte.«
    »Wovor hast du dich gefürchtet?« Er rückte näher zu ihr. Ihre Haut war ganz warm.
    »Ich war zwölf. Meine Eltern sind samstagabends ausgegangen, ich durfte noch eine Eislaufrevue sehen und bin vor dem Fernseher eingeschlafen.« Sie seufzte.
    »Ja und?«
    »Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst, ich hab zuerst nicht kapiert, was überhaupt los war.«
    »Als du wieder wach wurdest, lief ein Horrorfilm?«, riet Walde.
    »Und was für einer, allein bei dem Gedanken daran überläuft es mich heute noch eiskalt.« Er spürte, wie sich bei ihr eine Gänsehaut bildete.
    »Das muss ja wirklich schlimm gewesen sein. Ein Kettensägenmassaker?«
    »Schlimmer!«
    »Vampire?«
    »Nein, viel schlimmer!«
    »Was denn?«
    »Ein Werwolf«, das Wort auszusprechen schien ihr noch heute Schwierigkeiten zu bereiten. »Danach habe ich immer wieder so unheimliche Sachen geträumt, und wenn ich aufgewacht bin, ist die Angst manchmal erst richtig losgegangen. Irgendwann war mir

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