Tango Mosel
an Waren mit Rechnung.«
»Am besten nimmt man nichts an. Und wenn die Sendung angenommen wurde, schickt man sie ungeöffnet zurück.«
»Aber ich hab schon reingeguckt«, rutschte es Walde heraus.
»Dann würde ich das zu vertuschen versuchen«, sagte Grabbe.
»Vielleicht ist das derselbe«, hörte Walde hinter sich Gabi sagen, die gelauscht haben musste, »der mir die Bremsschläuche durchgeschnitten hat?«
Sonntag
Das für Samstagabend geplante Ausgehen hatten Doris und Walde auf den Sonntagabend verschoben. Als sie aus dem Restaurant kamen, wollte Doris noch einen Cocktail in ihrem Lieblingslokal trinken. Gegen dreiundzwanzig Uhr erlösten sie zu Hause Marie, die Annikas Schlaf bewacht hatte.
Walde musste noch die übliche Runde mit Quintus drehen. Als er die Wohnung verließ, hatte Doris ihm mit einem vielsagenden Gesichtsausdruck zugeflüstert, sie werde wach bleiben.
Wenn sich keiner von ihnen beiden freiwillig bereit fand, gab es die Regel, dass sich Walde an geraden und Doris an ungeraden Tagen um das ausgeprägte Bewegungsbedürfnis des Malamuts kümmerte.
Walde duckte sich unter den großen Schirm, auf den ein heftiger Regen niederprasselte. Quintus bestimmte den Weg, der sie auch heute durch die dunkle Allee hinunter zur Mosel führte.
Da aufgrund der späten Stunde und des schlechten Wetters kaum mehr Leute auf dem Leinpfad unterwegs waren, beschränkte sich Walde zumeist darauf, mit gesenktem Kopf zu gehen, um den größten Pfützen auszuweichen.
Als er Quintus von der Leine ließ, rannte der gleich zum Fluss hinunter und schnappte sich einen langen Ast, der sich im Ufergestrüpp verfangen hatte und noch zum größten Teil in das schnell fließende Wasser ragte. In dem Moment, in dem Quintus den Ast aus dem Gestrüpp befreit hatte, wurde die Kraft des Wassers so stark, dass der Hund fast in den Fluss gezogen wurde.
»Quintus, lass los!«, rief Walde besorgt, doch der Hund setzte nun seine Kräfte ein und rang der Mosel schließlich den Ast ab.
»Du wirst wieder schön stinken, wenn wir nach Hause kommen!«, schimpfte Walde, während er kehrtmachte und den Weg zurück in Richtung des kleinen Hafens einschlug. Quintus trabte jetzt neben ihm. Ab und zu ließ er den Ast fallen, um ihn in anderer Position wieder zwischen die Zähne zu klemmen.
Nachdem sie unter der Kaiser-Wilhelm-Brücke hindurch waren, steuerten sie auf den Weg zu, der nach oben zu den verwaisten Terrassen von Zurlauben führte.
Die dunklen Konturen der Neptun hoben sich wie ein riesiges schlafendes Krokodil von den Lichtern der Brücke ab.
Quintus ließ den Ast fallen, während Walde vom Uferweg hoch zum Damm ging. Nach ein paar Schritten drehte er sich um. Der knorrige Ast lag quer über dem Weg. Er schaute den Uferweg hinunter, von Quintus war nichts zu sehen. Dann machte er eine Bewegung am Ufer aus und erhaschte noch einen Blick auf den wippenden Schweif des Hundes, der über die Landebrücke in Richtung Neptun verschwand.
»Quintus, hierher!«, rief Walde.
»Hast du Hunger?«, fragte Martin Kotte, als er Gabi kurz nach 23 Uhr die Tür öffnete und sie umarmte.
Sie trat einen Schritt zurück und fixierte seine rotgepunktete Fliege über dem weißen Hemd.
»Du bist aber sehr direkt!« Sie lachte. »Oder willst du etwa so spät abends noch etwas essen?«
Gabi war zum ersten Mal in Martins Wohnung. Sie wich einem Paar schmutziger Laufschuhe aus, unter denen zum Schutz der Fliesen eine Zeitung lag. Mit schräg gelegtem Kopf las sie im Vorbeigehen an einem Bücherregal ein paar Titel. Es schien sich ausschließlich um psychologische Fachliteratur zu handeln, teils in englischer Sprache. Das Regal reichte vom Boden bis zur Decke und lief im Flur um die Ecke. Gabi folgte Martin in ein karg möbliertes Wohnzimmer, an das sich ein Wintergarten anschloss. Auf einer Designerliege aus schwarzem Leder lag ein Buch mit rötlichem Einband.
»Du liest Shakespeare im Original?«
»Eigentlich komme ich meistens nicht einmal dazu, in meine Fachzeitschriften zu sehen.«
Gabi trat hinaus und lehnte sich an das Geländer vor den bodentiefen Fenstern. Martin stellte sich neben sie und legte mit leichtem Druck einen Arm um ihre Taille.
Die Wohnung befand sich im vierten Stockwerk. Sie bot einen freien Blick über den südlichen Teil der Innenstadt bis hinauf zur Kapelle und der Mariensäule auf dem Markusberg.
»Sieht aus wie die Kaaba in Mekka.« Gabi deutete auf einen dunklen Kubus, der zwischen den Häusern herausragte.
»Das ist
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