Tango Mosel
nicht, wie lange er vor sich hin gegrübelt hatte, als hinter ihm die Tür geöffnet wurde. Er drehte sich um und sah Gabi hereinkommen.
»Schöne Scheiße!« Sie humpelte leicht, als sie zu seinem Schreibtisch kam und sich auf dem Stuhl niederließ, auf dem vorhin der Präsident gesessen hatte. »Das ist wirklich peinlich, was wir da an die Staatsanwaltschaft gegeben haben. Ich hab gerade das Fax von denen bekommen. War der Präsi deshalb da?«
Walde nickte.
»Hab ich mir gedacht, dass der sich die Häme nicht entgehen lassen wollte.« Sie nahm einen Stein von Waldes Schreibtisch und drückte ihn fest in der Hand. »Das Schreiben an die Staatsanwaltschaft geht auf meine Kappe. Ich könnte mir in den Hintern beißen, dass ich denen die Munition gleich mitgeliefert habe. Hätte ich Grabbes Papiere aufmerksamer gelesen, wäre das nicht passiert.« Sie legte den Stein zurück. »Jetzt wird es schwierig weiterzumachen. Ich hab immer noch Schmerzen an der Achillessehne. Am besten geh ich zum Arzt und lass mich krankschreiben.«
»Dann fehlen uns zwei Leute, Harry kommt erst in zwei Wochen zurück.«
»Aber es kriegt keiner mit, wenn ich noch ein bisschen an dem Fall arbeite, was jetzt offiziell problematisch werden wird. Ich kann mich sowieso nicht richtig konzentrieren.«
»Verliebt?«
»Wie kommst du denn darauf?« Ihre Stimme wurde lauter.
Als Walde nicht antwortete, sagte sie: »Keine Ahnung, das letzte Mal ist so lange her, dass ich nicht mehr weiß, wie sich das anfühlt.«
»Wie schlimm ist denn die Geschichte?«
»Warum, das fühlt sich doch nicht schlimm an?«
»Ich meine deine Achillessehne.«
»Ist schon etwas besser geworden.« Sie winkte ab. »Was ist jetzt, soll ich mich krankschreiben lassen und ein wenig privat ermitteln?«
»Das ist kaum möglich. Allein schon die Hörmann, jedes Mal, wenn wir mit der gesprochen haben, hat sich Stiermann gleich gemeldet. Die hat einen Draht zum Chef.«
»Der Präsi hat doch nach dem Oberbürgermeisterwechsel gar nicht mehr den Druck aus dem Rathaus, wenn es um Besitzstandswahrung von Bonzen geht! Er reagiert nur noch aus alter Gewohnheit mit seinem vorauseilenden Gehorsam.«
Walde hatte sich wieder mit seinem Stuhl zum Fenster gedreht und wandte ihr den Rücken zu.
»Du wirst doch jetzt nicht aufgeben?«, fragte Gabi mit unsicherer Stimme.
Walde schaute stumm hinaus in den trüben Morgen. Er spürte die Ratlosigkeit geradezu körperlich. Sein Oberbauch fühlte sich an, als dränge ein aufgeblasener Ballon seine Organe zur Seite und erzeuge eine Beklemmung, die seine ganze Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Sein Denken schien gelähmt.
Dort, wo vorhin die Tauben waren, landeten nun zwei Elstern. Ihre hellen Schwänze wippten, während die Vögel auf den Sandsteinsimsen der Fenster im Glockenturm saßen und in das Innere äugten.
Walde schloss die Augen. Er atmete tief ein, seufzte und schüttelte dabei den Kopf. »Und ausgerechnet jetzt muss auch noch der Hausmeister sterben!«
»Du willst alles hinschmeißen?«, hörte er Gabi hinter sich sagen. »Denk mal an meine durchgeschnittenen Bremsschläuche. Wir müssen da jemandem zu nahe gekommen sein.«
»Hm.« Walde zog die Schultern hoch. »Gibt es schon was Neues von diesem Studenten, dem Zeugen von der Brücke?«
»Der ist gerade bei Grabbe. Und Meyer hat noch das Rad von der Baustelle, ein lila Damenrad, Sattler wird es sich nachher mal genauer ansehen.«
Grabbe war bereits mit dem Protokoll des Zeugen fertig, als Walde und Gabi zu ihm ins Büro kamen.
»Der Student hat nichts Genaues gesehen, hatte wohl in der Luke oder wie die Kneipe heißt, einiges gebechert.« Grabbe deutete eine Trinkbewegung an. »Keine Automarke und kein Autotyp. Er ist sich aber immerhin sicher, dass es zwei Männer waren, die er auf der Römerbrücke in der Nacht zum Mittwoch gesehen hat. Ihr Wagen stand dort auf dem Bordstein mit geöffneter Heckklappe, etwa auf Höhe des Pfeilers, wo später die Leiche gefunden wurde.«
Walde berichtete seinem Kollegen vom Gespräch mit dem Polizeipräsidenten und seiner Absicht, die Ermittlungen am Abend einzustellen.
»Wir haben zu wenig, um eine groß angelegte Untersuchung zu rechtfertigen. Ein Mord an Rüdiger Wohlenberg kann ebenso wenig nachgewiesen werden wie ein Betrug an Frau Wohlenberg, obwohl wir wissen, dass da was faul ist und auch die Personen kennen, die beteiligt sind. Offiziell bleibt uns eigentlich nur der Fall Niklas Domski.« Seine Miene hellte sich etwas auf, als
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