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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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verließ.
    Als er zurückkehrte, hatte er eine kleine weiße Karte in der Hand.
    »Das haben wir in seinem Zimmer gefunden, einen Tag nach seiner Abreise«, sagte Charles.
    »Es muss ihm aus der Tasche gefallen sein, als er packte. Noch etwas, wovon er nie gesprochen hat.«
    Er legte die laminierte Karte vor uns auf den Tisch. Kits Augen, fast verdeckt vom langen Haar, schauten mich an, auf einem Fotoausweis, der von der Psychiatrischen Klinik Heathermore ausgestellt worden war.
    Ich hatte das Gefühl, als habe man mir eine Schlange in den Schoß geworfen. Ich zuckte zusammen und schüttelte heftig den Kopf. »Das ist eine Fälschung«, behauptete ich. »Oder vielleicht
    … hat er dort gearbeitet.«
    Anne Somerville lachte humorlos. »Als ob irgendeine offizielle Institution solch einen Mann beschäftigen würde.«
    »Sie haben Ihn doch auch beschäftigt«, entfuhr es mir.
    »Ja, schon … aber das war etwas anderes.«
    Anne wandte sich an ihren Mann. »Charles«, sagte sie munter. »Ich glaube, wir könnten jetzt alle eine Tasse Tee gebrauchen, und vielleicht ein paar Sandwiches. Würdest du bitte nachschauen, was uns Mrs Monroe dagelassen hat? Die Haushälterin«, fügte sie für uns hinzu. »Sie verbringt die Feiertage bei ihren Enkeln.«
    Nachdem Charles gegangen war, stellte Anne ihr leeres Glas auf dem Sideboard ab und wandte sich zu mir.
    »Sie wollen nicht glauben, dass Kit geistesgestört ist«, sagte sie. »Ich kann Ihre Gefühle nachvollziehen. Ich wollte es auch nicht glauben.« Sie deutete auf den laminierten Ausweis.
    »Aber wir müssen die Tatsachen akzeptieren.«
    »Welche Tatsachen?«, fauchte ich und packte die Orden wieder in den Beutel. Ich wusste, dass ich zu heftig reagierte, konnte mich aber nicht zügeln. »Sie wissen doch gar nicht, warum Kit diese Karte bei sich trug. Haben Sie noch nie von gefälschten Ausweisen gehört? Vielleicht ist das eine Art von Scherz.«
    Anne neigte den Kopf zur Seite. »Er ist Ihnen also auch so nahe gekommen«, sagte sie leise.
    Ich sah sie nicht an. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Das wissen Sie nicht?« Annes Lippen kräuselten sich zu einem traurigen Lächeln. »Dann lassen Sie mich Ihnen von Kit erzählen. Zu Ihrem Besten, aber auch zu seinem.«
    »Bitte sehr«, entgegnete ich mürrisch. Ich wusste schon jetzt, dass nichts von dem, was sie erzählen würde, mich davon überzeugen konnte, dass dieser Mann reif für die Klapsmühle war.
    »Um Ihnen von Kit zu erzählen«, begann Anne, »muss ich Ihnen zunächst etwas von mir erzählen.« Mit langsamen Schritten ging sie auf den Kamin zu, dann wandte sie sich wieder zu Julian und mir. »Mein erster Ehemann starb vor fünf Jahren an einem Gehirnschlag. Er war 32, ich war im sechsten Monat schwanger, mit unserem ersten Kind. Ich erlitt eine Fehlgeburt und verlor das Baby.« Sie kniete sich auf den Teppich vor dem Kamin und streichelte Branwell. »Es war eine schreckliche Zeit.«
    »Es tut mir leid«, sagte Julian. Aus seinem Mund klang die banale Phrase aufrichtig.
    »Blackthorne Farm war der Traum meines verstorbenen Mannes gewesen, nicht meiner«, fuhr Anne fort. »Ich hatte keine Ahnung, wie ich das alles bewältigen sollte, aber ich wollte den Hof nicht aufgeben. Er war alles, was mir von ihm geblieben war.«
    Julian nickte voller Mitgefühl.
    »Wie Sie sich vorstellen können, ging bald alles drunter und drüber«, sagte Anne. »Ich stand kurz davor zu verkaufen, als ich Kit fand.«
    »Sie fanden ihn?«, sagte ich.
    »Ich besuchte die Kirche von Great Gransden, und dort stand er vor einem Gedenkfenster.«
    Anne strich Branwell unters Kinn und ging in die Hocke. »Zuerst hielt ich ihn für einen alten Flieger …«
    »Wie kamen Sie darauf?«, unterbrach ich sie.
    »Das Fenster war zum Gedenken an die Lufteinheiten gestaltet worden, die während des Krieges vom Stützpunkt bei Gransden Lodge starteten und landeten.« Sie schloss die Augen, legte die Hände auf die Oberschenkel und zitierte die Inschrift: »›Die Einwohner dieser Dörfer waren den Piloten, die von R.A.F. Gransden Lodge flogen, zutiefst verbunden. Sie warteten auf ihre Rückkehr und beteten für sie.‹« Anne öffnete die Augen wieder und lächelte. »Mein Vater wollte, dass ich die Inschrift auswendig lernte. Er flog während des Krieges als Beobachter.«
    »Was hatte Kit in der Kirche zu tun?«, fragte ich.
    »Er sagte, er habe dort nur Zuflucht vor dem Regen gesucht«, antwortete Anne. »Seine Stimme … sie hat mich verzaubert.

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