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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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aufgeräumt.
    Ich ersparte mir einen Kommentar.
    »Sie werden Kit morgen besuchen«, fuhr Julian fort. »Ich muss Dr. Pritchard Bescheid sagen, dass sie kommen.«
    »Guter Plan.« Ich starrte auf die Tasche.
    Wir saßen ein paar Minuten schweigend nebeneinander, bis Julian sagte: »Sie sind auf einmal sehr still, Lori.«
    »Bin ich das?« Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ich habe wohl nicht viel zu sagen.«
    Julian seufzte. »Ich weiß, es ist nicht einfach zu akzeptieren, aber es erklärt eine Menge, nicht wahr?«
    »Nein«, erwiderte ich schroff.
    »Dann erklären Sie mir, wie er in Sankt Benedikt enden konnte«, forderte Julian mich auf.
    »Wieso lebt der Sohn eines wohlhabenden Landbesitzers unter Trinkern und Drogensüchtigen?
    Warum hat er gelächelt, als Bootface mit dem Messer auf ihn losging? Warum hungerte er sich inmitten von Überfluss fast zu Tode?«
    Ich spielte mit der Lasche am Reißverschluss der Tasche, während ich über Julians Fragen nachdachte. »Als Priester«, sagte ich schließlich,
    »sollten Sie doch wissen, dass man Kits Verhalten auch ganz anders deuten könnte.«
    »Ich höre«, sagte Julian.
    »Kit stammt aus gesicherten Verhältnissen«, sagte ich und schaute in das Schneetreiben hinaus. »Aber er entscheidet sich für ein Leben mit den Armen. Er freundet sich mit Außenseitern an. Angesichts von Gewalt hält er die andere Wange hin. Er verzichtet auf Nahrung – man könnte sagen, er opfert sich –, damit andere zu essen haben.« Ich strich mit der Handfläche über die Tasche. »Wenn Kit verrückt ist, war Jesus auch verrückt.«
    »Ich verstehe.« Nachdenklich strich sich Julian über den Ziegenbart. »Sie halten Kit für einen religiösen Fanatiker.«
    »Nein, ich halte ihn für eine guten Menschen«, erwiderte ich hitzig. »Und wenn wir Gü te als eine Form von Geisteskrankheit einstufen, dann ist die Welt wirklich in einem traurigen Zustand.«
    Julian warf mir einen scharfen Blick zu, bevor er wieder auf die Straße schaute. »Jesus stand nicht im Regen und wartete auf unsichtbare Flugzeuge«, sagte er. »Und er wurde auch nie in eine Psychiatrie eingewiesen.«
    Julians Worte trafen mich nicht, sie strichen einfach vorbei. Ich wusste nicht genau, warum Kit den Luftwaffenstützpunkt besucht hatte, oder warum er in der Heathermore-Klinik gewesen war.
    Aber ich hatte vor, das herauszufinden.

    Bei meiner Rückkehr fand ich meine beiden Söhne im Wohnzimmer vor, umgeben von leeren Pappkartons, ihrem Lieblingsspielzeug.

    Mein Schwiegervater, wie immer wie aus dem Ei gepellt, saß bei ihnen in einem gemütlichen Sessel und passte auf sie auf. Nachdem ich Will und Rob begrüßt und sie unauffällig nach irgendwelchen Verletzungen abgesucht hatte, setzte ich mich zu ihnen auf den Boden und unterrichtete Willis senior von meinem ereignisreichen Tag. Mein Schwiegervater war ein äußerst rationaler Mann, und ich erwartete, dass er in Hinblick auf Kits geistige Gesundheit die allgemeine Haltung teilte, aber wie üblich überraschte er mich.
    »Die Beweislage ist im besten Fall als dünn zu bezeichnen«, meinte er. »Meiner Meinung nach gibt es mehrere Möglichkeiten, die Mr Smiths Handlungen erklären. Wir wissen zum Beispiel gar nicht, was er genau meinte, als er zu Mrs Somerville sagte, er ›wache über die Flieger‹.
    Möglichweise hat er das sinnbildlich gemeint.
    Vielleicht hat er sich einen Scherz erlaubt, um sie davon abzuhalten, sich weiterhin in seine privaten Angelegenheiten zu mischen.«
    »Er stand acht Stunden im Regen«, ergänzte ich.
    »Nun, das ist … ungewöhnlich«, räumte Willis senior ein.
    »Und was ist mit der psychiatrischen Klinik Heathermore?«, fragte ich. »Der Ausweis scheint doch auf das Offensichtliche zu deuten.«
    »Warum rufst du nicht dort an und erkundigst dich nach einem Mister Smith?«
    Ich zog Rob aus einem Karton heraus und setzte ihn auf meinen Schoß. »Sie würden mir sicher keine Auskünfte geben, schon gar nicht, wenn es sich um einen Patienten handeln sollte«, sagte ich. »Mir fehlen die Befugnisse. Außerdem sollten sie vielleicht besser nicht wissen, wo Kit sich derzeit aufhält. Wenn er sich unerlaubt entfernt hat, wollen sie ihn wahrscheinlich zurückhaben.«
    »Wohl wahr.« Willis senior faltete die Hände auf der Seidenweste zusammen und legte die Fingerspitzen gegeneinander. »Vielleicht können wir Miss Kingsley einspannen.«
    Ich sah meinen Schwiegervater bewundernd an. »William, du bist ein Genie. Ich rufe sie gleich an.«
    Bei

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