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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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ein paar schmale Falten. »Woher wissen Sie dann, dass mein Vater ein Pathfinder war?«
    »Nun, das wussten wir eigentlich nicht«, sagte ich. »Aber schauen Sie, was Christopher bei sich hatte, als er ins Radcliffe eingeliefert wurde.«
    Ich holte den fleckigen Lederbeutel aus der Reisetasche, zog die Bänder auseinander und leerte den Inhalt auf dem vergoldeten Tisch neben Lady Havorfords Stuhl aus. Als die Orden herauspurzelten, legte sie eine Hand auf den Mund, um kurz darauf missbilligend die Lippen zu kräuseln.
    »Papas Orden«, sagte sie und legte das Taschentuch beiseite. »Es war das Einzige, was Christopher aus dem Nachlass akzeptierte. Was hat er nur damit gemacht?« Ihre Hand schwebte kurz über dem ineinander verschlungenen Durcheinander. Dann trennte sie die Orden mit kurzen, präzisen Bewegungen voneinander, glättete die zerknitterten Bänder und reihte sie ordentlich auf dem Tisch auf.
    Der Anblick schien Erinnerungen zu wecken, denn nun sprach sie von den frühesten Tagen.
    »Als Christopher klein war, lebten wir auf dem Land«, sagte sie. »Er hatte ein Pferd namens Lancaster, benannt nach dem ersten Bomber, den Papa geflogen hatte. Christopher galoppierte auf Lancaster den Reitweg hinunter und warf imaginäre Bomben auf imaginäre U-Boot-Stützpunkte.
    Zu Hause erzählte er Papa atemlos von seinen Präzisionsbombardements.«
    Sie schaute auf die Orden und überlegte kurz.
    Dann platzierte sie den Golden Eagle über alle anderen Orden, Bänder und Plaketten auf dem Tisch.
    »Das klingt nach einer idyllischen Kindheit«, meinte Julian.
    »Das war es auch«, bestätigte Lady Havorford. »Dann starb Mutter, und als Papa wieder heiratete, verkaufte er das Landhaus, und wir zogen nach London.« Ihre Stimme klang jetzt weicher. »Es hat Christopher das Herz gebrochen, als er sich von Lancaster verabschieden musste, aber er hat nie geklagt. Wie ich schon sagte, er verehrte Papa.«
    Ein Holzscheit fiel in das Feuer, und die Funken stoben hoch. Vom Flur her erklang ein Stimmengewirr, aber Lady Havorford ignorierte all das.
    »In der Schule prahlte Christopher vor seinen Kameraden ständig mit den Orden, die Sir Miles bekommen hatte«, sagte sie. »Eines Tages erzählte ihm einer der Jungen, ob nun aus Eifersucht oder purer Bosheit, dass für die Männer der Bomberstaffel kein besonderer Orden geprägt wurde, und zwar aus einem guten Grund . Erst später, als Christopher an der Universität Geschichte studierte, entdeckte er den Grund.«
    »Flächenbombardements«, murmelte Julian.
    Lady Havorford hob die Augenbrauen. »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht, Vater Bright.«
    Julian wandte sich an mich. »Es stand in dem Buch, das ich mir von Ihnen geliehen habe, das aus Luke Boswells Laden. Während des Zweiten Weltkriegs bombardierte die RAF bewusst zivile Ziele, in der Hoffnung, die Moral der Deutschen zu brechen. Bis weit nach dem Krieg wusste niemand außerhalb der Bomberstaffel etwas davon.«
    »Christopher war entsetzt über den Gedanken, dass Papas Bomben nicht nur auf U-Boot-Stützpunkte, sondern auch auf Schulhöfe gefallen waren«, sagte Lady Havorford.
    »Viele Menschen waren entsetzt, als die Wahrheit bekannt wurde«, ergänzte Julian.
    »Deshalb haben die Männer der Bomberstaffel nie eine spezielle Ehrung für ihre Dienste bekommen.«
    »Aber es waren Soldaten«, sagte ich, »und es herrschte Krieg. Sie haben nur …« Fast hätte ich gesagt, sie haben nur Befehle ausgeführt, aber die furchtbare Logik dieses Satzes hatte mich verstummen lassen.
    »Sie haben getan, was getan werden musste«, sagte Lady Havorford tonlos. »Christopher sah die Dinge jedoch anders. Er nannte Papa ein Ungeheuer, er sagte, Papa sei nicht besser als ein Terrorist, dessen Bombe unschuldige Passanten in den Tod reißt. Er zog bei mir ein und wohnte hier, bis er sein Studium abbrach und für einen Freund arbeitete, der ein Gestüt besaß.«
    »Wie hat Sir Miles auf die Anschuldigungen reagiert?«, fragte Julian.
    »Er begann die Arbeit an seinen Memoiren«, antwortete Lady Havorford, »um sich seinem Sohn zu erklären.« Sie erhob sich und ging erneut zum Schreibtisch. Sie blieb einen Augenblick dort stehen und betrachtete den Tintenlö scher, das Tintenfass und die Leselampe mit dem grünen Schirm, dann setzte sie sich und sah uns über die Weite der polierten Tischplatte hinweg an.
    »Den größten Teil hat er an diesem Schreibtisch zusammengestellt, nach langen Tagen, die er im Imperial War Museum verbracht

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