Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
goldenen Kranz, der die Vordertür schmückte, und wurde vor Neid fast gelb.
    Ich hätte meine handgefertigten italienischen Stiefel darauf verwettet, dass Felicity Havorfords Weihnachtsbaum keine Schlagseite hatte.
    »Es ist perfekt«, sagte ich mürrisch.
    »Zu perfekt«, meinte Julian.
    Ich versuchte mich mit seinen Worten zu trösten, immerhin konnte ich ganz sicher sein, dass niemand das Cottage auf diese Weise kritisieren würde.
    Schließlich ging das Tor auf, und Paul fuhr langsam an den Eiben vorbei, bis wir vor einer Art Loge mit Säulengang hielten. Zwei junge Männer in dunklen Anzügen kamen heraus und öffneten die Türen der Limousine. Einer der Männer begleitete Julian und mich in das Anwesen, der andere blieb bei Paul und gab ihm Anweisungen, wo er den Wagen parken könne.
    »Ich bin Budge«, sagte unser Begleiter, nachdem uns ein weiterer junger Mann in dunklem Anzug Mantel und Jacke abgenommen hatte.
    »Bitte folgen Sie mir.«
    Budge führte uns durch einen Flur, an dessen Wänden Dutzende von Spiegeln hingen, zu einer Doppeltür, durch die wir eine prächtige Bibliothek betraten. Budge verschwand mit einer Verbeugung und der Mitteilung, dass Lady Havorford uns in Kürze die Ehre geben würde.
    Als wir allein waren, stieß ich einen lange unterdrückten Seufzer der Bewunderung aus. Eine solche Bibliothek hatte ich noch nicht gesehen.
    Vergoldete Stuckarbeiten, so zart wie Stickereien, zierten die gewölbte Decke, und über eine weiße Wendeltreppe erreichte man eine Galerie mit vergoldetem Balkon, die Zugang zu den oberen Bücherregalen gewährte. Die cremefarbenen Regale waren in gewölbte Nischen eingelassen, die seitlich durch goldgeäderte Marmorpilaster begrenzt und von vergoldeten Simsen gekrönt wurden.

    An einer Seite des Kamins standen zwei Chippendale-Stühle und ein zierlicher, vergoldeter Tisch, an der anderen Seite ein Sofa, das mit Goldbrokat gepolstert war, mit vergoldeten Lehnen und Beinen. Auf dem Boden lag ein cremefarbener Teppich, darüber ein Aubusson-Läufer in Pfirsich und Gold. Den einzigen Missklang erzeugte ein wuchtiger Mahagoni-Schreibtisch, der schräg am anderen Ende des Raumes stand.
    »Oh, Julian, ist das nicht großartig?« Ich drückte Kits Reisetasche an mich und sog all die Pracht in mich auf.
    »Ich schätze schon.« Julian klopfte mit dem Zeigefinger auf die Lippen und betrachtete stirnrunzelnd die Chippendale-Stühle. »Ich weiß nicht, aber ich kann mir Kit in dieser Umgebung nicht vorstellen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Welchen Kit?
    Den in meiner Auffahrt oder den mit dem Schneider in der Saville Row?«
    »Guter Punkt«, räumte Julian ein.
    Die Doppeltüren öffneten sich synchron, als zöge jemand an unsichtbaren Fäden, und aus dem Spiegelflur erklang eine Stimme: »Die Gäste werden in Kürze eintreffen, Budge. Achten Sie darauf, dass die Auffahrt stets frei bleibt.«
    »Sehr wohl, Mylady.«

    Eine Frau glitt in den Raum, und die Doppeltüren schlossen sich hinter ihr. Sie war groß und schlank, trug ein knöchellanges Kleid aus efeufarbenem Satin, darüber ein figurbetontes kurzes Jackett aus dem gleichen Material. Ihr dunkelbraunes Haar war auf eine derartig beiläufige Weise nach oben frisiert, dass es sicher Stunden gedauert hatte, auf ihrer Brust und an ihren Ohrläppchen glitzerten Diamanten.
    Es gab keinen Zweifel, um wen es sich handelte. Sie war älter als Kit, aber die Familienähnlichkeit war da. Die schmalen, blassen Hände, die langgliedrigen Finger, genau wie bei Kit. Sie hatte auch die gleichen hohen Wangenknochen und die geschwungenen Lippen, aber ihre hellblauen Augen wirkten leer und ihr Mienenspiel seltsam leblos. Wie sie vor uns stand, wirkte sie weniger lebendig als ihr Bruder, der bewusstlos in einem Krankenbett lag. So wie Kits Schönheit die Menschen anzog, hielt die seiner Schwester sie auf Abstand.
    Ich sah die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede. »Sie haben Kits Hände«, murmelte ich schließlich.
    »Kit?« Lady Havorford bedachte mich mit einem kühlen Blick. »Ein geschmackloser Spitzname. Bezeichnen Sie meinen Bruder bitte als Christopher, so lange Sie sich in meinem Haus aufhalten. Es sei denn, es handelt sich um einen Fehler …«
    »Es ist gewiss kein Fehler«, sagte Julian und trat vor. »Lady Havorford, ich überbringe Ihnen keine guten Nachrichten. Ki … Christopher ist schwer krank. Er liegt im Radcliffe Hospital in Cambridge und ist seit über einer Woche nicht aus dem Koma erwacht.«
    »Ich verstehe.«

Weitere Kostenlose Bücher