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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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ab.
    Der Abschied von ihm fiel mir schwer, aber ich schaffte es ohne eine einzige Träne. Er versprach, bei Kit vorbeizuschauen, und ich erneuerte mein Gelöbnis, nach den Feiertagen wieder nach Sankt Benedikt zu kommen. Als er uns auf den brö ckelnden Stufen seiner heruntergekommenen Herberge inmitten seiner struppigen Schäfchen zuwinkte, glaubte ich ein Stückchen Himmel in seinem Gesicht zu erkennen. Ich fragte mich, ob der Bischof wusste, welch weise Entscheidung er getroffen hatte, als er seinen vorwitzigen Assistenten zur Arbeit und zum Leben mit den Au ßenseitern verbannt hatte. Ich fragte mich auch, ob Kit je erfahren würde, wie dankbar ich ihm war, dass er mich zu Julian geführt hatte.
    Paul entfloh dem schäbigen Viertel, als ob Höllenhunde an seinen Reifen knabberten, und er entspannte sich erst, als wir auf dem Weg nach Finch waren. Als wir das Dorf erreichten, hatte sich bereits eine trübe Finsternis herabgesenkt, und der Dorfplatz wirkte merkwürdig verwaist. In Peacocks Pub brannte kein Licht, Sally Pynes Teestube war dunkel, und an der Tür des Emporium hing ein Schild mit der Aufschrift Geschlossen .
    »Großartig.« Ich bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Alle sind schon im Cottage, außer Bill und mir. Was soll ich nur machen, Paul? Außer verbrannten Pfefferkuchenmännern kann ich ihnen nichts anbieten.«
    »Ich würde mir keine Sorgen machen, Madam«, beruhigte mich Paul. »Es ist doch der Geist des Gebens, der zählt.«
    »Sicher, sicher«, murmelte ich und überlegte, wie weit ich mit drei Wildhühnern kommen würde.
    Als wir die Auffahrt passierten, die zu Anscombe Manor führte, sahen wir die ersten Fahrzeuge, die hintereinander auf der Straße abgestellt waren, der Farm-Lastwagen der Hodges, das antiquierte Automobil der Schwestern Pym, Nells Schlitten, Mr Barlows Schneepflug und mindestens zehn auswärtige Vehikel, die es trotz des Wetters bis hierher geschafft hatten. Jemand hatte so viel Weitsicht besessen, in meiner Auffahrt genug Platz für die Limousine zu lassen, aber niemand hatte mich auf den Anblick vorbereitet, der sich mir bot, als Paul in die Auffahrt einbog.
    Das Cottage schien einen schweren Zusammenstoß mit einem ausgelassenen Karnevalszug gehabt zu haben. Manisch blinkende Lichterketten säumten das Schieferdach, den Schornstein und die Fenster. Lametta tropfte von den nackten Zweigen der Fliederbüsche. Und ein Schwarm mutierter Rotkehlchen aus Pappe hatte sich auf dem Spalier niedergelassen, das die Haustür umrahmte. Zwei von Peacocks glühenden Chorknaben flankierten das Erkerfenster des Wohnzimmers, und eine Reihe riesiger Zuckerstangen ragte wie gestreifte Palisaden aus meiner Buchenhecke.
    Aus jedem Fenster grinsten Sally Pynes körperlose Weihnachtsmannköpfe, und neben dem Steinweg stand ein etwas schräg geratener Santa Claus, der einen Fahrradhelm trug, eine Surfer-Sonnenbrille und ein böses Grinsen, das man ihm mit einem Kohlestift ins Gesicht gemalt hatte.
    Die Dekoration war grell, geschmacklos und alles andere als perfekt – vollkommen fantastisch also.
    Die Fenster waren hell erleuchtet, und das Haus schien vom Stimmengewirr geradezu zu vibrieren. Als ich aus der Limousine stieg, flog die Haustür auf, und ein paar Leute strömten hinaus in den Schnee. Ich sah Emma Harris, Derek, Nell und …
    »Peter!«, rief ich, als Dereks abenteuerlustiger achtzehnjähriger Sohn auf mich zukam. »Ich dachte, du paddelst gerade den Amazonas hinauf.«
    »Stattdessen bin ich für die Feiertage nach Hause gepaddelt«, sagte er. »Daddy ist fast aus den Socken gekippt.«
    »Das glaube ich«, sagte ich und umarmte ihn.
    Danach verlor ich den Überblick darüber, wen ich alles küsste und herzte.
    Bills englische Verwandten waren aus allen Winkeln des Königreichs angereist, aus London war Miss Kingsley gekommen, aus Oxford Luke Boswell, und als eine donnernde Stimme »Verdammt frohe Weihnachten, Shepherd!« rief, wusste ich, dass zumindest ein Flugzeug aus Amerika sicher in Heathrow gelandet war.
    »Stan!«, schrie ich. In der Tür sah ich Dr. Stanford J. Finderman stehen, meinen früheren Chef, der nie zu überhören war. »Du hast es geschafft.«
    »Dachtest du, ich würde eine Einladung zum Essen ausschlagen?«, rief er.
    »Ein Essen?«, stotterte ich errötend.

    »Los, rein mit dir, Shepherd!«, bellte Stan.
    »Ich friere mir hier draußen den Hintern ab.«
    Hilfreiche Hände geleiteten mich ins Haus, nahmen mir Taschen und Mantel ab und schoben mich ins

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