Tante Dimity und der skrupellose Erpresser
heute Abend nicht gekommen wärst.«
»Jetzt liegt es an dir.« Er wandte sich um, als Bill aus dem Ankleidezimmer kam. »Fertig?«
»Gehen wir«, sagte Bill und trat auf den Flur hinaus.
Als die beiden Männer fort waren, wickelte ich den Draht zu einem Knäuel zusammen, legte es neben Reginald auf den Nachttisch und schlug das blaue Buch auf.
20
Chambers?
Ich ging mit dem blauen Buch zu dem Sessel, der am nächsten zum Kamin stand, und beobachtete, wie sich Tante Dimitys flüssige Handschrift im Schein des Feuers über die Seite kräuselte.
Ich kann mich nicht daran erinnern , den Namen jemals gehört zu haben , aber das muss nichts heißen . Edwin hätte wohl kaum mit mir über seinen Diener gesprochen . Es überrascht mich etwas , dass Simon so viel Umgang mit ihm hatte . In der Regel hat ein Kammerdiener nichts mit den Kindern der Familie zu tun .
»Chambers schon«, sagte ich und machte es mir im Sessel bequem. »Er hat sogar seine freien Tage mit Simon, Oliver und Derek verbracht. Er ist mit ihnen zum Angeln gegangen.«
Angeln? Mit drei kleinen Jungen? Wie seltsam .
Mir ist noch nie ein Bediensteter begegnet , der seinen freien Tag für das zweifelhafte Vergnügen eingetauscht hätte , drei kleinen , lärmenden Jungen dabei zu helfen , Köder an Haken zu befestigen .
»Vielleicht wollte er Eindruck bei seinem Arbeitgeber machen«, vermutete ich.
Ein Kammerdiener beeindruckt seinen Arbeitgeber , indem er sich um dessen Wünsche kümmert und nicht um die der Kinder im Haus . Lass es dir von jemandem gesagt sein , der es wissen muss , meine Liebe : Man hätte es als recht exzentrisch empfunden , wenn Chambers das tatsächlich getan hat .
»Damals war er vielleicht exzentrisch«, ergänzte ich. »Heute ist er gaga.«
Wie ich dir von Anfang an sagte , Drohbriefschreiber sind von Natur aus instabile Persönlichkeiten . Chambers – sollte es sich bei dem Schurken um ihn handeln – ist nur ein weiteres Beispiel dafür . Als die ersten Versuche nicht die gewünschte Wirkung erzielten , zog er die Schraube an . Was zunächst nur als Ärgernis empfunden wurde , hätte leicht mit einem Mord enden können . Gott sei Dank , dass Kit herbeigeeilt ist . Ohne ihn hätten wir vielleicht nie herausgefunden , warum das Pferd sowohl Simon als auch Nell abgeworfen hat , und wir wären nie darauf gekommen , dass es sich um Sabotage gehandelt hat .
»Es war nicht leicht für Kit«, murmelte ich nachdenklich. »Nell zu begegnen, meine ich.«
Er musste erkennen , dass die Zeit im Ausland nichts an Nells Gefühlen für ihn geändert hat .
Ich hob die Augenbrauen. »Woher weißt du das?«
Ich kenne Nell . Sie verschenkt ihr Herz nicht leichtfertig , und du hast mir erzählt , dass Kit sich nicht in der Lage sieht , ihre Liebe zu erwidern .
Eine höchst unglückliche Situation , für beide .
»Das finde ich auch.« Plötzlich erinnerte ich mich an etwas. »Als Kit Nell von den Hürden erzählte, flüsterte sie etwas über Simons Teufel.
Sie wurde unruhig und bat Kit, mit Lord Elstyn zu sprechen …«
Fast wäre blaue Tinte verspritzt worden, so schnell eilte Dimitys Schrift über das Papier. Er hat doch nicht etwa Derartiges vor , oder?
»Natürlich nicht«, versicherte ich. »Er sagte zu ihr, dass ich mit dem Earl sprechen würde.
Aber was hat sie mit Simons Teufel gemeint?
Glaubst du, dass sie von dem Drohbriefschreiber weiß?«
Es würde mich wundern , wenn dem nicht so wäre . Nell ist hochintelligent und hat eine enorme Beobachtungsgabe . Außerdem kennt sie alle Beteiligten genau . Wenn sich derlei Dramatisches direkt vor ihrer Nase abspielt , wäre ich überrascht , wenn sie nicht längst eine Spur aufgenommen hat . Die Schrift brach ab, um kurz darauf wieder zu erscheinen. Du hast doch in den beschädigten Büchern ein blondes Haar gefunden?
»In der Tat«, antwortete ich und dachte einigermaßen beschämt an die närrischen Dinge, derer ich Nell nach dem Fund verdächtigt hatte.
Vielleicht hat Nell die zerschnittenen Seiten lange vor dir entdeckt . Vielleicht hat sie sich dabei schon das meiste zusammengereimt . Oder , wenn du es prosaischer möchtest – Edwin kann seine Enkelin ins Vertrauen gezogen haben . Du erwähntest , dass er von den Drohbriefen an Simon wusste .
Ich nickte bedächtig. »Simon hat ihm drei dieser bösen Briefe übergeben.«
Ich frage mich , ob Simon Chambers auf irgendeine Art geschadet hat – ob er vielleicht unwissentlich dafür verantwortlich war , dass Chambers seine
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