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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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dahintersteckte , als man von außen sehen konnte , aber ich hatte keine Ahnung , um was es sich handelte . Ich wäre nie darauf gekommen , dass wir so viel gemeinsam haben . Mein Mitgefühl für sie ist tiefer , als ich das je für möglich gehalten hätte .
    Ich fühlte mich beschämt, als ich den wahren Grund für Dimitys langes Schweigen begriff.
    Auch sie hatte ihre erste Liebe an den Krieg verloren. Ihr Leben und das von Peggy waren von einem Ausmaß an Verlust und Leiden geprägt, wie ich selbst es nie kennen gelernt hatte.
    Ihre Bürde war natürlich ungleich schwerer als meine , denn ich wurde nie dazu gezwungen , ein Kind wegzugeben . Wie bitter es für sie gewesen sein muss , unter Mrs Hoopers Fuchtel zu stehen , und wie schmerzhaft , dass ihre Vergangenheit so in den Schmutz gezogen wurde .

    »Mir ist ein Rätsel, wie Peggy das ertragen hat«, meinte ich.
    Mir nicht minder . Es fällt mir extrem schwer zu glauben , dass eine Frau mit Mrs Taxmans explosivem Temperament sich so lange einer derart grausamen Erpressung gebeugt hat , ohne um sich zu schlagen . Wenn das Motiv das Einzige ist , woran wir uns zu orientieren haben , dann , fürchte ich , ist Mrs Taxman unsere Hauptverdächtige .
    »Wenn Peggy Mrs Hooper umgebracht hat, würde ich das gerechtfertigten Totschlag nennen«, erklärte ich. »Aber ich will mit meinem Urteil warten, bis ich von Mr Barlow gehört habe.«
    Eine kluge Entscheidung . Aber versuch doch bis dahin , dich von Nicholas’ bevorstehendem Tod nicht um den Schlaf bringen zu lassen . Es könnte durchaus noch andere Gründe für sein launisches Verhalten geben .
    »Nenn mir einen«, forderte ich sie heraus.
    Er könnte in dich verliebt sein . Schlaf gut , meine Liebe .
    »Schlaf gut?«, stöhnte ich. In stummer Verzweiflung sah ich zu, wie die elegant geschwungene tintenblaue Schrift langsam verblasste, dann schlug ich das Buch zu und vergrub den Kopf in den Händen.

    Konnte das stimmen? Hatte Nicholas sich in mich verliebt? Ich wusste, dass er sich zu mir hingezogen fühlte – er hatte es mir selbst gesagt –, aber er hatte nichts getan, was erkennen ließ, dass das mit echten Gefühlen verbunden war. Als er gesagt hatte, er sei nicht gegen Versuchungen gefeit, hatte ich angenommen, er meinte die Versuchung des Fleisches. War mir etwa wieder ein Indiz entgangen? Hatte sich physische Anziehung zu etwas Tieferem entwickelt, etwas, das sein Herz berührte, ihn in seiner Redegewandtheit beeinträchtigte und mit Melancholie erfüllte?
    Womöglich hatte er just wegen dieser Gefühle auch Gewissensbisse bekommen. Heute Morgen hatte er gesagt, er hoffe sehr, dass ich keinen Ärger bekommen würde, wenn er wieder weg war.
    Im Büro des Pfarrers hatte er beteuert, dass er mir keine Komplikationen bescheren wollte. Mir war nie in den Sinn gekommen, dass vielleicht ich ihm welche bescherte. Während Nicholas mich mit Samthandschuhen angefasst hatte, hatte ich mich kindisch aufgeführt. Ich wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken, als ich an meinen verspielten Kuss dachte, den ich ihm in aller Öffentlichkeit auf die Lippen gedrückt hatte. In diesem Moment hatte ich das für einen guten Witz gehalten, mit dem wir den neugierigen Nachbarn einfach eins auswischten. Was Nicholas dabei empfunden haben mochte, daran hatte ich nicht eine Sekunde gedacht.
    Was für eine miese Egoistin ich doch war!
    Wenn alles vorbei war, konnte ich in den Schoß meiner Familie zurückkehren, aber Nicholas hatte niemanden – keine Frau, keine Verlobte, keine Freundin. Wer würde ihm über den Verlust hinweghelfen? Er hatte nicht einmal eine Katze.
    Unerwiderte Liebe konnte einen Menschen genauso niederdrücken wie der Gedanke an den bevorstehenden Tod. Plötzlich schoss mir in den Sinn, dass Nicholas den Arzttermin vielleicht nur erfunden hatte, um Distanz zwischen sich und dem unwürdigen Gegenstand seiner vergeblichen Liebe zu schaffen.
    Ich stöhnte gequält auf und schleppte mich, bedrückt von Gedanken an Liebe und Tod, ins Bett. Hätte ich die Wahl gehabt zwischen Tante Dimitys Erklärung für Nicholas’ komisches Verhalten und der von Emma, hätte ich beinahe Emmas Interpretation vorgezogen. Im Falle einer entsetzlichen Krankheit konnte ich Nicholas immer noch pflegen, aber ein gebrochenes Herz konnte ich nicht heilen.

22
    BILL RIEF AM Samstag in aller Frühe an, um mir mitzuteilen, dass er wegen der Ansprüche eines besonders schwierigen Mandanten erst am Sonntag nach Hause kommen würde. Ich war

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