Tante Dimity und der unbekannte Moerder
entschlossen auf die Schenkel gestemmt: »Eins möchte ich klarstellen. Pruneface war schon tot, als ich reinkam.«
»J-ja, Mrs Pyne«, brachte Lilian mit zittriger Stimme hervor. Die Frau des Pfarrers war sichtlich verstört. »Und Sie werden uns bestimmt eine absolut einleuchtende Erklärung dafür geben können, warum Sie nicht die Polizei geholt haben, als Sie ihre … äh … Leiche entdeckten.«
»Jeder wusste, dass ich Pruneface die Sache mit dem Taufbecken übel genommen habe.« Sallys Stimme wurde fester. »Ich dachte, ich würde mich verdächtig machen.«
»Also hast du mir das mit der Polizei überlassen«, knurrte Peggy.
»Das war gemein von mir, Peggy«, gestand Sally geknickt. »Aber ich hab mir gedacht, dass du sowieso bald kommst, um die Miete zu kassieren, und es bei dir nicht so viel ausmacht, weil du ja schließlich ihre Busenfreundin warst. Dich hätte niemand verdächtigt, sie um die Ecke gebracht zu haben.«
Peggy warf Nicholas einen verstohlenen Blick zu und biss sich auf die Lippen.
»Wieso bist du überhaupt hingegangen?«, fragte Christine.
»Ob du’s glaubst oder nicht, ich wollte mit ihr über die Blumen …«
Sally hatte wegen der Osterdekoration eine schlaflose Nacht verbracht. Sie wusste, dass Pruneface ihr diese Aufgabe aus purer Missgunst weggeschnappt hatte, und fürchtete, dass sie Pfusch anrichten würde.
»Ich hatte die Sorge, dass sie uns irgendeinen grässlichen modernen Schund bescheren würde.
Du weißt schon: so was wie einen kahlen Zweig und einen Kieselhaufen als Symbol für Gott weiß was.«
»Teddy hätte das nie zugelassen«, protestierte Lilian empört.
Sally bedachte sie mit einem giftigen Blick.
»Ich möchte Ihnen nicht widersprechen«, sagte sie übertrieben höflich, »aber ich konnte es nicht darauf ankommen lassen. Für das Taufbecken bin seit jeher ich verantwortlich gewesen, und darum wollte ich mit Pruneface sprechen und betonen, dass Finch nicht zu den Orten gehört, wo Experimente gerne gesehen werden.«
Sally war um fünf Uhr aufgestanden, um sich eine Tasse Tee zu machen. So hatte sie das bunte Treiben auf dem Dorfplatz mitbekommen. Sie hatte beobachtet, wie Dick den grauen Van entlud, Peggy das Schaufenster des Emporium neu dekorierte und Mr Barlow mit Buster spazieren ging. Und sie hatte bemerkt, dass Pruneface hinter dem Wohnzimmerfenster des Crabtree Cottage stand und Dick Peacocks Treiben belauerte.
»Ich wusste, dass sie wach war«, erklärte Sally. »Also habe ich mir gesagt, dass ich es nicht auf die lange Bank zu schieben brauche. Ich habe mich nur schnell angezogen, eine Kleinigkeit gegessen, und dann bin ich rübergegangen.«
»Wie spät war es denn, als du dort ankamst?«, fragte ich.
»Viertel vor sechs. Die Turmuhr schlug gerade, als ich anklopfte.«
Ich kritzelte 5:45 Uhr in meinen Notizblock.
»Ich hab mehrmals geklopft, und zwar kräftig und laut. Als Pruneface nicht zur Tür kam, wurde ich sauer. Ich dachte, sie will mir nur wieder die kalte Schulter zeigen, und hab die Tür kurzerhand aufgemacht.«
Im Klassenzimmer war es so still, dass man den Wasserhahn in der Damentoilette tropfen hören konnte. Nicholas saß regungslos da. Er war wieder einmal in sich versunken und schien weit entfernt und völlig losgelöst – sowohl von mir als auch von der ganzen Gruppe. Nicht so sehr der Mord, den wir seit einer Woche untersuchten, schien ihn zu beschäftigen, sondern etwas viel Beunruhigenderes.
»Ich hab ihren Namen gerufen«, hörte ich Sally sagen, »und als sie immer noch nicht antwortete, hab ich mir gedacht, dass sie vielleicht gestürzt ist und sich was gebrochen hat. Ich mochte die Frau nicht, aber ich weiß, wie es ist, wenn man allein lebt, und wollte erst sichergehen, dass alles in Ordnung war, bevor ich ging.«
George Wetherhead nickte, und aus Mirandas Miene war aller Spott gewichen. Wie Sally kannten sie die Gefahren des Alleinseins.
»Ich bin ins Wohnzimmer gegangen«, erzählte Sally weiter, »und da lag sie, die Arme und Beine von sich gestreckt, unter ihren Geranien … tot.
Erst dachte ich, sie hätte einen Schlaganfall gehabt …« Sally holte zitternd Luft. »Aber dann hab ich das Blut gesehen. Das war vielleicht ein komisches Gefühl …«
Kurz bekam sie glasige Augen, und jeden von uns überlief ein Schaudern, als hätten wir selbst gesehen, wie sich die Geranien in Mrs Hoopers Blut spiegelten.
Sally fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Da wurde mir schlagartig klar, wie merkwürdig das
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