Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
und lehnte sein Angebot ab. »Ich bin heute nicht um Essen und Trinken hierher gekommen, Mylord.«
    »In der Tat.« Williston nickte ernst. »Bitte, dann setzen Sie sich ein wenig zu mir. Wir haben viel zu besprechen.«
    »Und wenig Zeit dazu«, sagte Nell. »Ich muss vor Sonnenuntergang zurückkehren.«
    Willistons Gesicht verdüsterte sich vor Enttäuschung, aber er bezwang seine Gefühle. »Dann müssen wir jeden Moment nützen. Kommen Sie, Mylady.« Er bedeutete Nell, auf einer Couch Platz zu nehmen, die vor den Fenstern stand.
    Willistons Sprache war, genau genommen, nicht die des achtzehnten Jahrhunderts. Seine manirierte Ausdrucksweise war mehr die von zweitrangigen Schauspielern, die hoffen ihren Zuschauern auf diese Weise signalisieren zu können, dass sie etwas Intellektuelles darbieten, das lange vor dem Ersten Weltkrieg geschrieben wurde. Beim Stehen setzte Williston eines seiner weiß bestrumpften Beine etwas vor, er ging mit einem tänzelnden Schritt, der schlecht zu seiner Statur passte, und verbeugte sich mit flatternden Spitzenmanschetten, dass es lächerlich gewirkt hätte, wenn sein Gesichtsausdruck dabei nicht so aufrichtig gewesen wäre.
    Ich fühlte mich auf meinem Schemel bei der Tür unsichtbar, aber dagegen hatte ich nichts. Ich war heilfroh, dass ich in die Kulissen verwiesen worden war. Das Spiel, das hier in Onkel Willistons Vorstellung stattfand, lag außerhalb meines Repertoires.
    Nell hingegen war jetzt in ihrem Element.
    Nachdem sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte, schlüpfte sie mit einer solchen Leichtigkeit in die Rolle der Sybella, dass es mir den Atem verschlug. Als Nicolette war sie super gewesen, aber da hatte sie eine Rolle gespielt, die sie selbst erfunden hatte. Hier aber hatte sie die weitaus schwerere Aufgabe, jemanden zu spielen, von dem sie absolut nichts wusste. Ihre Konzentration war beängstigend. Unter der Oberfläche von Nicolette hatte man immer noch Nell ahnen können, aber bei Sybella war sie spurlos verschwunden.
    Williston zog es vor zu stehen, obwohl auf der Couch für beide Platz gewesen wäre. »Ich habe Mutter gesagt, dass Sie zurückkommen würden, Sybella«, sagte er, »aber sie hat mir nicht geglaubt.«
    »Es ist die Kraft Ihrer Überzeugung, die mich hergebracht hat«, erklärte Nell.
    »Und die Kraft meines Zornes war es, die Sie dorthin geschickt hat.« Williston warf sich wiederum auf die Knie und hob flehend die Hände.
    »Können Sie mir jemals verzeihen, Sybella? Ich wünsche nichts sehnlicher, als für das, was ich getan habe, zu büßen.«
    Die ehrliche Verzweiflung in Willistons Stimme schnürte mir den Hals zu, aber Nell war aus anderem Holz geschnitzt. Fast konnte ich den Computer in ihrem Kopf summen hören, als sie sich die beste Antwort überlegte. Zu streng, und Williston würde verstummen; zu freundlich, und er würde vor Begeisterung nicht mehr beim Thema bleiben.
    »Ich kann Ihnen nicht verzeihen«, fing sie an, und als Williston die Schultern hängen ließ, fügte sie schnell hinzu, »ehe Sie mir nicht alles gesagt haben.«
    »Alles?« Williston warf einen ängstlichen Blick über die Schulter. »Ich kann Ihnen nicht alles erzählen, Mylady. Selbst jetzt nicht. Mutter würde davon erfahren. Man würde mich strafen.«
    »Dann erzählen Sie mir, so viel Sie können«, sagte Nell mit großer Geduld.
    Willistons Knie knackten, als er wieder aufstand und Nell um Erlaubnis bat, sich zu setzen. Als sie nickte, warf er mit geübter Hand seine Rockschöße hoch, setzte die Füße mit der Genauigkeit eines Tanzmeisters und ließ sich auf die Couch nieder, wobei er sich ihr zudrehte. Neben seiner massigen Gestalt sah Nell aus wie eine Schäferin aus zerbrechlichem Meißener Porzellan, aber ihre würdevolle Haltung verlieh ihr eine Kraft, die Williston fast kleiner und verletzlicher erscheinen ließ als sie.
    »Sie sollten mich heiraten, Sybella«, sagte Williston traurig. »Das war der Grund, weshalb wir Sie aufnahmen und Ihren Besitz verwalteten. Alle wussten, dass Sie für mich bestimmt waren. Sie müssen es auch gewusst haben.«
    Nell nickte.
    »Sie waren so rein, so unschuldig«, fuhr Williston fort. »Mutter warnte Sie, auf der Hut zu sein, aber Sie waren es nicht. Sie erlagen seinem Drängen.
    Sie glaubten seinen Lügen. Sie ließen es zu, dass er Sie mit seiner Berührung beschmutzte.« Williston drehte den Kopf zur Seite, und ich sah, dass Tränen in seinen Augen standen. »Ich konnte es nicht ertragen, dass es so weiterging,

Weitere Kostenlose Bücher