Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
den alten Pulli und die Jeans abzulegen. Mir war egal, was sie dachte. Mein empfindlicher Bauch fühlte sich wohl in dem, was ich anhatte, und solange er zufrieden war, war ich auch zufrieden.
    Auf halber Länge des Korridors blieb Sir Poppet vor einer Tür stehen. »Hier wären wir. Ich komme in einer Stunde zurück und schaue mal nach, wie es geht.«
    Ich sah nervös auf die Tür. Ich hatte nicht damit gerechnet, Williston allein gegenüberzutreten.
    »Keine Angst«, sagte Sir Poppet. »Wir hören mit.« Er zwinkerte uns zu, drehte sich auf dem Absatz um und ging mit langen Schritten den Korridor zurück zur Treppe.
    »Wir müssen laut genug sprechen, damit die verborgene Abhöranlage unsere Stimmen auch aufzeichnen kann«, flüsterte ich Nell zu. Ich stellte mich gerade hin. »Also los.« Ich klopfte sanft an die Tür.
    »Herein«, sagte eine tiefe Stimme.
    Nell folgte mir in ein großes Wohnzimmer, das weder in Anne Elizabeth Court noch im achtzehnten Jahrhundert deplatziert gewirkt hätte. Die Wände waren blassgrün gestrichen, Damastvorhänge bedeckten die Fenster, und in dem polierten Eichenboden spiegelten sich schöne antike Möbel.
    An den Wänden waren Kerzenleuchter angebracht, und auf den Tischen standen Öllampen, es gab weder elektrisches Licht noch Telefon, Fernseher oder Radio – keinerlei sichtbare Zugeständnisse an das moderne Leben.
    Onkel Williston saß auf einem brokatbezogenen Stuhl an einem antiken Schreibtisch, den Rü cken zur Tür. Selbst im Sitzen hatte er eine stattliche Figur, er war groß wie Arthur, aber ohne die Weichheit seines Sohnes. Er trug einen schwarzen Gehrock, schwarze Kniehosen, weiße Strümpfe und Schnallenschuhe. Sein weißes Haar war mit einem schwarzen Samtband zu einem leicht gewellten Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich sah das Ende einer Gänsefeder in seiner Hand, deren scharfer Kiel über das Papier kratzte. Bei unserem Eintreten hörte er auf zu schreiben und drehte sich langsam um. Er hielt sich sehr gerade, aber sein Gesicht war ausdruckslos wie eine Maske.
    Dann hielt er überrascht die Luft an. Er sah an mir vorbei, öffnete weit die Arme und warf sich mit einem Schrei, der fast ein Schluchzen war, auf die Knie.
    »Sybella! Ich wusste, dass Sie kommen würden!«

18
    NELL STAND MIT weit aufgerissenen Augen da.
    Ich hatte sie auf Onkel Willistons Wahnvorstellungen vorbereitet, aber sie hatte bestimmt nicht damit gerechnet, in diese mit einbezogen zu werden.
    Das hatte ich ebenfalls nicht, und nun sah ich mit gemischten Gefühlen zu, wie der alte Mann mit Hilfe des Stuhles wieder aufstand.
    Onkel Willistons Ähnlichkeit mit Arthur, und in gewisser Weise auch mit Bill, war frappierend. Ich hatte immer vermutet, dass mein Mann einen Bart trug, um ein schwach ausgebildetes Kinn zu kaschieren, aber an Onkel Willistons glatt rasiertem Gesicht war nichts schwach. Er hatte ein starkes Kinn, eine schöne hohe Stirn und die gleichen ausdrucksvollen braunen Augen, die Bill hinter seiner schwarz geränderten Brille versteckte. Wenn Bill sich im Alter so gut hielt wie Onkel Williston, überlegte ich, dann würde er eines Tages noch richtig distinguiert aussehen.
    Als Williston sich wieder zu voller Höhe aufgerichtet hatte, rückte er seine schneeweiße Halsbinde gerade, strich sich über das weiße Haar und schüttelte die Spitzenmanschetten, die aus den Ärmeln seines schwarzen Gehrocks schauten. Seine braunen Augen ruhten unverwandt auf Nells Gesicht, als er zu mir trat und mir zu meiner grenzenlosen Überraschung eine glänzende Pfundmünze in die Hand drückte.
    »Ich bin Ihnen sehr verbunden, dass Sie Mylady zu mir gebracht haben«, murmelte er. »Sie können jetzt gehen.«
    »Nein, bleib!«, rief Nell, und ich stellte mit einiger Befriedigung fest, dass Panik in ihrer Stimme schwang.
    Onkel Williston jedoch nickte weise. »Ich verstehe«, sagte er zu ihr. »Du bist in deiner augenblicklichen Gestalt auf Hilfe angewiesen.« Er deutete auf einen vergoldeten Schemel bei der Tür.
    »Sie können dort warten, Magister«, sagte er zu mir.
    Ich setzte mich.
    Williston wandte sich an Nell. » Können Sie den Tee mit mir nehmen, Mylady?«, fragte er. Seine Frage bestätigte meinen Verdacht und machte diese merkwürdige Begegnung noch merkwürdiger. Onkel Williston bildete sich offenbar ein, mit einem Gespenst zu sprechen. Und er schien zu glauben, dass ich es hierher zitiert hatte.
    Nell schluckte mühsam, doch dann legte sie los.
    Sie hob den Kopf, sah Onkel Williston an

Weitere Kostenlose Bücher