Tante Dimity und der unerhoerte Skandal
sei im Interesse der Firma ausgeschieden.«
»Totaler Quatsch«, meinte Swann.
»Swann …«, sagte Anthea leise.
»Entschuldige, Liebes, aber ich habe es bis hierher satt, wie ihr alle um den heißen Brei herumredet. Lucy ist schlecht drauf, und wenn sie schlecht drauf ist, bist du auch schlecht drauf, und das wiederum macht mich fertig.« Er wandte sich wieder mir zu. »Gerald ist, im Gegensatz zu dem Tollpatsch Arthur, ein großartiger Rechtsanwalt. Er ist intelligent, charmant, diskret, und er liebt seinen Beruf. Ich kann es einfach nicht glauben, dass er die Firma wegen eines Fehlers verlassen hat, den man auch auf andere Art hätte bereinigen können.«
Ich sah Anthea unsicher an. »Ich dachte, Lucy hat es ihm nahe gelegt.«
»Lucy?«, sagte Anthea und riss die Augen auf.
»Du meinst, sie hat Gerald gesagt, er solle gehen?«
Sie gab Swann ihre Teetasse und stand auf, um ein gerahmtes Foto vom Kamin zu nehmen. Nachdem sie es kurz angeschaut hatte, reichte sie es mir.
Auf dem Bild waren fünf Kinder zu sehen, drei Mädchen und zwei Jungen, alle trugen Reitkleidung und standen in einer offenen Stalltür. Obwohl es ein Gruppenbild war, standen die beiden Ältesten, ein dunkelhaariges Mädchen und ein Junge mit kastanienbraunem Haar, etwas entfernt von den anderen, und statt in die Kamera zu sehen, lächelten sie sich gegenseitig an.
»Swann hat ganz Recht«, sagte Anthea. »Die beiden lieben sich, seit sie überhaupt wissen, was das heißt. Sie haben niemals übers Heiraten gesprochen, es wurde einfach als selbstverständlich vorausgesetzt. Ich weiß nicht, warum Gerald aus der Firma ausgeschieden ist, aber ich kann dir versichern, dass meine Tochter ihn nicht darum gebeten hat.«
Das Feuer knisterte und ein plötzlicher Windstoß rüttelte am Fenster. Anthea stellte das Bild auf den Kaminsims zurück, nahm ihren Platz auf dem Sofa wieder ein und ließ sich von Swann ihre Teetasse zurückgeben. Ich dachte an Lucy, die sich oben wahrscheinlich die Augen ausweinte, und an Gerald, der mit schwerem Herzen in Haslemere saß. Es machte alles überhaupt keinen Sinn.
Schließlich unterbrach Nell das Schweigen.
»Aber warum ist Gerald dann aus der Firma ausgeschieden?«
Ich schloss die Augen und wünschte, sie hätte uns nach ihrer ersten Breitseite ein paar Minuten Zeit gegeben, ehe sie die nächste abfeuerte, aber Anthea ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Weiß der Himmel«, sagte sie. »Wenn Gerald sich selbst etwas über die Liebe zu meiner Tochter vormachen kann, dann kann er auch andere belü gen.«
»Anthea ist auf Lügner spezialisiert«, warf Swann ein.
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte sie und lächelte traurig. »Schließlich war ich mit einem verheiratet.« Sie lehnte sich an Swanns Schulter und sah versonnen ins Feuer. »Ich muss zugeben, dass es zwischen meinem toten Mann und Gerald eine merkwürdige Ähnlichkeit gibt.«
»Die muss schon sehr merkwürdig sein«, sagte Swann. »Gerald ist ein anständiger Kerl, während Douglas ein Schweinehund war.«
»Ja, aber er war nicht immer so«, sagte Anthea.
»Douglas war im Grunde genommen auch ein anständiger Kerl, bis er sich mit dieser Ärztin einließ …«
»Sally die Schlampe«, sagte Swann, und bei der Erinnerung musste er lächeln. »Die Ärztin mit dem Gesicht eines Frettchens und der nie versiegenden Pillenschachtel.«
»Schreckliches Weib.« Anthea schüttelte den Kopf und sah mich an. »Sie hatte auch mal einen Mann, aber als er merkte, an wen er da geraten war, ist er vor Schreck geflohen.«
Swann nickte beifällig. »Kluger Kerl.«
»Sally ist ein Ungeheuer«, sagte Anthea sachlich.
Sie wandte sich mit ungläubigem Gesicht zu mir.
»Sie hat sogar einmal versucht, mich zu erpressen.
Behauptete, sie habe kompromittierende Bilder von Douglas. Ich riet ihr, sie ruhig zu veröffentlichen und sich lächerlich zu machen. Natürlich hörte ich nie wieder etwas von ihr.«
»Die einzige Art, mit solchem Ungeziefer fertig zu werden.« Swann klopfte seiner Frau ermunternd aufs Knie. »Ich kann nur sagen, Sally muss in ihren AnatomieVorlesungen ein paar clevere Partytricks gelernt haben. Denn ihr Aussehen allein kann ihr unmöglich zu diesem Erfolg bei Männern verholfen haben.« Er sah Anthea an und wackelte ein paarmal vielsagend mit den Augenbrauen, dann legte er den Finger auf die Lippen. »Aber wir sollten Sally der Schlampe nicht gestatten, uns den Abend zu verderben. Ich hebe hiermit das Moratorium auf.
Du kannst
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