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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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automatisch. Ich war von einer allein stehenden Mutter auf der Chicago Westside großgezogen worden, und die hatte ihrer geliebten Tochter Selbstverteidigung beigebracht. Nichts Kunstvolles, Asiatisches, sondern lediglich Griffe und Kniffe, die einer weniger eleganten, aber wirkungsvollen Straßentechnik entstammten.
    Ich rammte meinen Ellbogen nach hinten, gleichzeitig schleuderte ich den langen Griff der Taschenlampe in dieselbe Richtung. Ich hörte einen leisen Schmerzenslaut, meine Schulter wurde losgelassen und ich rannte zum Haus, wobei der Kies nur so flog. Zwei Meter vor der Haustür schaltete sich mein Gehirn wieder ein und teilte mir mit, dass ich den Menschen kannte, der diesen Laut von sich gegeben hatte.
    Ich stand still und drehte mich um. Der Adrenalinstoß ebbte ab, als ich vorsichtig über den Hof zurückging und eine Gestalt sah, die schmerzhaft zusammengekauert vor der knarrenden Stalltür hockte. Als ich näher kam, hob sich eine Hand, um das blendende Licht der Taschenlampe abzuschirmen.

    »Könntest du bitte das verdammte Ding woanders hinhalten? Du hast mir schon ein paar Rippen gebrochen, es ist nicht nötig, mich auch noch zu blenden.«
    »Bill?«, sagte ich in einem Ton, den ich eigentlich für ein persönliches Treffen mit Greta Garbo aufgehoben hatte.
    »Nein«, keuchte er, »Jack the Ripper. Hast du ein Glück, dass du mich schachmatt gesetzt hast.
    Wer hat dir das denn bloß beigebracht? Etwa die Nonnen in deiner Oberschule?«
    »Bill?«, wiederholte ich und schwankte leicht.
    Langsam stand er auf, wobei er leise stöhnte.
    »Ja, Lori, ich bin’s.«
    »Wie …? Wann …? O Bill «, rief ich, »habe ich dir wirklich die Rippen gebrochen?«
    Mein Mann öffnete seine Arme weit. »Warum kommst du nicht her und siehst selbst nach?«
    Ich machte einen halben Schritt auf ihn zu, dann blieb ich stehen. »Wo ist denn dein Bart?«
    »Der ist versengt, als der Kocher explodierte.
    Danach war nicht mehr viel Staat damit zu machen.« Bill hob die Hand an sein glattrasiertes Kinn, und ich hielt erschreckt den Atem an.
    »Und was ist mit deinem Arm passiert?«, fragte ich und ging einen Schritt näher auf ihn zu.
    Bill senkte seine linke Hand, die in einem Gipsverband steckte. »Als der Kocher explodierte, fiel ich auf den Holzhaufen«, erklärte er. »Er ist nur verstaucht, aber sie wollten ihn eine Weile ruhig stellen. Und ehe du mich wegen meiner Brille fragst, ja, die ist auch neu. Die alte habe ich verloren, als der Rettungsdienst mich in das Wasserflugzeug lud. Und jetzt, würdest du bitte aufhören, mich mit den Augen zu verschlingen, und mir einen Kuss geben? Ich habe einen ziemlich weiten Weg zurückgelegt, um dich zu finden.«

    Bill hatte ein Wasserflugzeug, einen Linienflug, die Concorde, einen Hubschrauber und einen Leihwagen gebraucht, um in zwei Tagen den Weg vom verwünschten Ufer des Little Moose Lake bis zur Cobb Farm zurückzulegen.
    »Ich konnte nach deinem nächtlichen Anruf nicht wieder einschlafen«, sagte er, »und auch am nächsten Morgen konnte ich mich auf nichts mehr konzentrieren. Darum ist wohl auch der Kocher explodiert. Ich glaube, ich war etwas unvorsichtig mit dem Kerosin.«
    Ich füllte einen Teller mit aufgewärmter Gemü sesuppe und stellte ihn Bill hin. Nachdem ich ihn so fest gedrückt hatte, dass alle Sorgen wegen eventuell gebrochener Rippen zerstreut waren, hatte ich meinen lädierten Mann ins Haus und geradewegs in die Küche gebracht. Niemand war heruntergekommen, um nach uns zu sehen. Ich nahm an, dass nach dem langen Nachmittag an der frischen Luft alle Hausbewohner fest schliefen.
    »Da lag ich also auf dem Holzstoß«, fuhr Bill fort, »die Hälfte meines Bartes abgebrannt und mein schmerzhafter Arm unter mir eingeklemmt.
    Ich sah, wie die Angestellten mit ihren Feuerlö schern rumrannten, während Reeves und Randi und der Rest des verdammten BiddifordClans sorgsam Abstand hielten, um ihre zarten Händchen nicht zu beschmutzen, und plötzlich fragte ich mich: ›Bill, was zum Teufel machst du eigentlich hier?‹«
    Er schwieg, um seine Suppe weiterzuessen, und ich sah nach den Resten des Abendessens, die im Backofen aufgewärmt wurden, und sorgte für etwas Warmes zu trinken. Dabei musste ich über die Schulter immer wieder meinen Mann ansehen, nicht nur, weil ich es kaum fassen konnte, dass er hier im gleichen Raum mit mir saß, sondern auch, weil es kaum zu glauben war, dass es mein Mann war. Er sah aus wie jemand, den ich noch nie zuvor gesehen

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