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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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weiß?«
    »Wie romantisch«, murmelte Wendy sarkastisch. Eine Weile grübelte sie schweigend vor sich hin, dann schüttelte sie den Kopf. »Wie konnte sie nur ein solches Leben vergeuden? Was für eine dumme, tragische Verschwendung. Sie hatte so viel …« – sie machte eine ausladende Handbewegung, wie um ganz Ladythorne mit einzubeziehen –, »… aber trotzdem war sie nicht zufrieden. Sie hätte etwas aus ihrem Leben machen können, etwas Wertvolles und Bedeutendes, stattdessen hat sie sich in eine sinnlose Besessenheit gestürzt. Ich begreife es nicht.«
    »Ich schon.« Die kühle Art, mit der Wendy Lucastas persönliche Misere analysierte, behagte mir nicht, und ich fühlte mich bemüßigt, die verstorbene Frau in Schutz zu nehmen. »Für einen Kriegshelden ist es nicht so ungewöhnlich, einen Zusammenbruch zu erleiden, wenn der Krieg zu Ende ist.«
    »Erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie in Miss DeClerke eine Kriegsheldin sehen«, sagte Wendy in ungläubigem Ton.
    »Warum nicht?«, erwiderte ich erhitzt. »Sie hat zahlreiche verwundete Soldaten gesund gepflegt. Ihr Haus hat sie zu einer Zufluchtsstätte für diese Männer eingerichtet. Während des Krieges hat sie alles, was sie hatte, mit ihnen geteilt, und kaum war der Krieg aus, peng !, war es vorbei, die Soldaten waren weg, und alles in ihr ist zusammengebrochen, all ihre Verluste, all ihr Schmerz waren plötzlich wieder da. Vielleicht hat sie zum ersten Mal in ihrem tiefsten Innern gespürt, dass die Männer, die sie geliebt hatte, nie mehr zurückkommen würden.« In einer Welle des Mitleids schnürte sich mir die Kehle zusammen. »Das reicht, um einen Menschen an den Rand des Wahnsinns zu treiben.«
    »Wenn Sie meinen«, sagte Wendy mit gedämpfter Stimme.
    Eine Weile saßen wir schweigend da, doch es war nicht die einvernehmliche Stille, die ich mit Jamie geteilt hatte, sondern ein bedrückendes Schweigen. Während ich mich bemühte, meine Fassung wiederzuerlangen, war Wendy darauf bedacht, wie ich vermutete, ihre Zunge im Zaum zu halten, um nicht mit einer weiteren unbedachten Bemerkung über Lucasta DeClerke meinen Unmut auf sich zu ziehen.
    »Tut mir leid«, sagte ich nach einer Weile.
    »Ich hätte nicht so … so heftig sprechen sollen.
    Es ist nur so, dass mein Vater im Krieg gekämpft hat. Und wenn er verwundet worden wäre, dann hätte ich demjenigen, der ihm geholfen hätte, wieder auf die Beine zu kommen, auf Knien gedankt. Insofern kann ich einfach keine distanzierte Haltung gegenüber Miss DeClerke einnehmen.«
    »Ich hingegen schätze eine distanzierte Haltung sehr«, erwiderte Wendy leichthin. »Mein Job erfordert es. Mit Rührseligkeit würde man einen instabilen Satelliten kaum auf seiner Bahn halten, da ist eine verstandesgemäße Herangehensweise schon eher gefragt. Wenn Sie es vorziehen, Miss DeClerke in einem verklärenden Licht zu betrachten, dann ist das Ihre Sache, aber verlangen Sie von mir nicht, es Ihnen gleichzutun.«
    Ihrem herablassenden Blick hielt ich trotzig stand. Wendy Walker mochte sich mit leblosen Gegenständen auskennen, aber über das menschliche Herz musste sie noch eine Menge lernen.
    Die gefühllose Art, mit der sie Lucastas tragisches Leben abtat, erschreckte mich zutiefst.
    Hätte ich nicht Jamie noch gute Nacht sagen wollen, hätte ich keine Sekunde gezögert, Wendy sich selbst zu überlassen und auf mein Zimmer zurückzukehren. Aber Jamie zuliebe harrte ich aus und brütete schweigend vor mich hin, während Wendy ihr Grubenlicht anknipste und zur Tür ging, um einen Blick auf den Flur zu werfen.
    »Weit und breit nichts von ihm zu sehen«, berichtete sie, um dann wieder ihren Platz einzunehmen.
    »Wie kamen Sie auf die Idee, dass er in der Bibliothek sein könnte?«, fragte ich. »Catchpole hatte mir gesagt, dass Sie beide zu Bett gegangen seien.«
    »Das waren wir auch, aber …« – Wendy

    bückte sich, um sich an einem Schnürsenkel zu schaffen zu machen –,»… aber als ich hinausging, um nach zusätzlichen Decken zu suchen, habe ich das Licht weiter hinten auf dem Flur gesehen und gedacht, dass sich einer von Ihnen auf Entdeckungsreise gemacht hat. Da Sie mir nicht gerade eine von der Sorte des ›mutigen Toasters‹ sind, nahm ich an, dass Jamie hier drin sei. Deshalb habe ich zuerst nach ihm gerufen.«
    Sie setzte sich aufrecht hin. »Ich frage mich, wo er jetzt steckt.«
    »Er sucht Catchpole. Als er losging, war er so wütend auf ihn, dass es mich nicht wundern würde, wenn er ihn in den

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