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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Unterlippe zwischen die Zähne und warf Jamie einen besorgten Blick zu. »Du glaubst doch nicht, dass sie … vergewaltigt wurde … oder?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte er fest.
    »Die Militärbehörden hätten eine so heikle Angelegenheit niemals verschweigen können. Lucasta war schließlich kein Ladenmädchen, sondern eine äußerst wohlhabende Erbin, die ein Heim für erholungsbedürftige Offiziere unterhielt. Wenn ein Amerikaner ihr Gewalt angetan hätte, so hätte man die Tatsache nicht unter den Teppich kehren können.«
    »Ich hoffe, du hast recht.«
    Als Jamie sich vorbeugte, um ein paar Kohlen nachzulegen, streifte sein Arm meinen, und ich spürte das vertraute Prickeln von physischer Anziehung. Doch nur eine mehrere Wochen alte Leiche konnte nicht von einem derart attraktiven Mann angezogen sein, wie Jamie Macrae es war, versuchte ich mich vor mir selbst zu rechtfertigen; noch dazu in einer so romantischen Umgebung, dass es schon wieder absurd war. Ich gebot meinen natürlichen Impulsen Einhalt, indem ich von ihm wegrutschte und mich an meinen Sessel lehnte. Ich fragte mich, ob die junge Lucasta und ihr adliger Verlobter gemeinsame Stunden hier in der Bibliothek verbracht hatten, ob sie, den Blick sinnierend auf das Mosaik gerichtet, von ihrer Zukunft träumten.
    »Vielleicht hat sich Lucasta in einen ihrer Patienten verliebt«, äußerte ich laut eine Vermutung, »und er hat sie zurückgewiesen. Das hätte sie zutiefst getroffen, wenn man bedenkt, dass sie nur wenige Jahre zuvor ihren Verlobten in Dünkirchen verloren hatte.«
    »Unerwiderte Liebe kann tatsächlich zerstörerisch sein«, sagte Jamie so traurig, dass ich wünschte, ich hätte das Gesagte für mich behalten.
    Ich hatte seine Verlobte vergessen, die sich ihm als unwürdig erwiesen hatte. Ich streckte die Hand aus, um sie ihm beruhigend auf die Schulter zu legen, und hätte sie ihm beinahe ins Gesicht geschlagen, als ein lauter Knall draußen auf dem Flur widerhallte.
    »War das ein Schuss?«, fragte ich. »Glaubst du, dass Catchpole …« Ich brach ab und blickte mit rasendem Herzen zur Tür. »Wo ist Wendy?«
    »Das werde ich gleich herausfinden.« Jamies dunkle Augen sprühten vor Wut, als er flink auf die Füße sprang. »Bleib du hier und verbarrikadiere die Tür. Inzwischen werde ich Catchpoles Possen ein für alle Mal ein Ende setzen.«

8
    JAMIE MOCHTE UNGEEIGNET als Befehls empfänger sein, aber darin, Befehle zu erteilen, war er schrecklich gut. Auch wenn ich es normalerweise vorzog, in der vordersten Frontlinie zu stehen, sobald der Fanfarenstoß ertönte, der zur Schlacht rief, so zog ich es diesmal vor, seinen Anweisungen aufs Wort zu folgen.
    Ich blieb in der Bibliothek, wo ich einen schweren Sessel gegen die Tür schob und mich mit dem Schürhaken bewaffnete, um mit äußerster Anspannung darauf zu warten, was als Nächstes passieren würde. Und bei dem, was dann geschah, verschlug es mir vor Angst fast den Atem.
    Jamie war kaum fünf Minuten weg, als ich Fußtritte auf dem Flur vernahm. Mit erhobenem Schürhaken beobachtete ich in grauenvoller Faszination, wie sich der Türknauf drehte, zuerst in die eine Richtung, dann in die andere. Als die Tür schwer gegen den Sessel krachte, entfuhr mir beinahe ein Schrei.
    »Jamie?«, flüsterte eine Stimme.
    »Wendy?«, erwiderte ich ebenfalls flüsternd.

    »Lori?«, sagte Wendy.
    »Oh, Gott sei Dank …« Meine Hand mit dem Schürhaken sank wie eine welkende Tulpe, und ein bebender Seufzer der Erleichterung entfuhr mir. »Ja, ich bin’s, Lori.«
    »Was machen Sie hier?«, fragte Wendy. »Wo ist Jamie?«
    »Jamie und ich haben uns unterhalten. Dann ist er hinausgegangen, um Sie zu retten und Catchpole grün und blau zu schlagen.«
    »Mich retten? Vor Catchpole?« Ein leichter Ton der Ungeduld war Wendys Stimme anzumerken. »Lassen Sie mich erst mal hinein, bitte.
    Ich komme mir ziemlich albern vor, eine Unterhaltung durch die Tür zu führen.«
    »Oh, pardon.« Ich schob den Sessel zur Seite, um ihn jedoch rasch wieder vor die Tür zu schieben, nachdem Wendy hereingeschlüpft war.
    Ihr langes graues Haar war noch immer zu einem aufwendigen Knoten im Nacken geschlungen, und sie trug noch dieselben Kleider, die sie tagsüber angehabt hatte, nur mit einer merkwürdigen Ergänzung: An ihrer Stirn hatte sie eine Art Grubenlicht angebracht. Ich widerstand dem Drang, sie danach zu fragen, denn ich fürchtete, die Antwort würde lauten, dass das Grubenlicht wie das Stemmeisen zur

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