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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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bedroht mich auch nicht mehr, dafür hat er viel zu viel Angst vor meinem Gatten, dem ach so mächtigen Rechtsanwalt.«
    »Ja, ich weiß, aber trotzdem behagt mir der Gedanke nicht, dass du ohne Begleitung in diese Schneewüste hinausgehst. Ich werde mit dir kommen.«
    »Nein, das wirst du nicht«, sagte ich trocken.
    »Sieh dich im Spiegel an. Du hast riesige Ränder unter den Augen und wärst beinahe eingeschlafen, als ich dir von dem überwucherten Friedhof erzählte, über den ich in Nordwales gestolpert bin. Jedenfalls scheint mir dein Zustand nicht dazu angetan zu sein, um durch tiefen Schnee zu stapfen, ich dagegen bin fit wie ein Turnschuh.«
    »Also gut«, sagte Jamie widerstrebend.
    »Wenn du unbedingt auf eigene Faust losziehen willst, kann ich dich nicht daran hindern. Aber
    … warte eine Minute, okay? Ich bin gleich wieder zurück.«
    Ich hörte, wie er im Laufschritt den Dienstbotenflur entlangeilte. Um die Zeit zu überbrücken, machte ich mich an den Abwasch und blickte immer mal wieder durch eines der gotischen Fenster, um Ausschau nach Catchpole zu halten.
    Doch ich sah nichts als Schnee, Schnee und nochmals Schnee. Als ich mir die Hände an einem Geschirrtuch abtrocknete, das ich in der weißen Anrichte gefunden hatte, kam Jamie zurück, seinen blauen Parka über dem Arm.
    »Nimm den hier«, sagte er und hängte mir das unförmige Kleidungsstück über die Schultern.
    »Deine Jacke ist nicht dafür gemacht, diesem gewalttätigen Wetter zu trotzen.«
    »Danke.« Ich schlüpfte in die viel zu langen Ärmel, zog den Reißverschluss hoch, breitete die Arme aus und drehte mich im Kreis. »Wenn ich verloren gehe, kann ich deinen Parka ja als Notzelt benutzen.«
    »Er ist ein bisschen groß, stimmt«, räumte Jamie ein, »aber er wird dich warm halten, und darauf kommt es an.«
    Während ich Mütze und Handschuhe anzog, erklärte mir Jamie, wo ich Catchpoles Cottage finden würde.
    »Ich erinnere mich noch genau an den Weg, denn der Gang vom Mausoleum hierher, als er mich mit der Flinte vor sich herschob, war ziemlich denkwürdig. Von der Küchentür gehst du geradeaus weiter, überquerst den Hof, dann gelangst du zu einem offenen Durchgang zwischen zwei Gebäuden. Am Ende siehst du eine Gruppe Kiefern zu deiner Linken. Zwischen den Bäumen befindet sich sein Cottage. Du kannst es nicht …«

    Ich legte ihm eine behandschuhte Hand auf die Lippen. »Sag es nicht. Du darfst den Satz nicht einmal zu Ende denken.«
    »Mmmh«, machte Jamie und nickte ernst.
    »Wenn ich zum Abendessen nicht zurück bin, kannst du ja die Suchhunde losschicken.« Ich warf ihm einen übermütigen Blick zu und ging in Richtung Hintereingang, während ich hoffte, noch rechtzeitig den Wandererfluch gebannt zu haben.

10
    IN DEM MOMENT, als ich den Fuß auf das Hofpflaster setzte, wurde mir klar, dass Jamies gut gemeinte Geste im Grunde genommen überflüssig war. Die Luft draußen war wärmer als in den eisigen Fluren von Ladythorne Abbey. Der Sturm hatte sich in eine leichte Brise verwandelt, und die Schneeflocken, die vom Himmel herabtrudelten, berührten wie feuchte Küsse meine Wangen, statt mich wie Nadeln zu pieksen, so wie am Tag zuvor.
    Ich war froh über die Ruhepause, aber ein kurzer Blick zu den schweren Wolken sagte mir, dass das Wetter innerhalb kürzester Zeit umschlagen konnte, also verlor ich keine Zeit. Mein Bemühen, mich an die Stellen des Pflasters zu halten, die nicht mit Schnee bedeckt waren, war vergeblich, denn es waren zu wenige und sie lagen zu weit auseinander. Die meiste Zeit musste ich mich durch hohe Schneewehen kämpfen, und ich war gezwungen, die Beine hoch anzuheben, sodass ich mich an die ersten wackligen Gehversuche meiner Söhne erinnert fühlte.
    Allein die Tiefe der Schneeverwehungen abzuschätzen war eine Herausforderung, denn es gab merkwürdigerweise keine Schattierungen, die mir als Anhaltspunkt hätten dienen können. Die Sonne musste irgendwo am Himmel lauern, aber ihre Strahlen wurden von den schweren Wolken darunter gefiltert. Der Schnee, der eigentlich blendend weiß hätte sein müssen, war stattdessen gleichförmig blassgrau. Das diffuse Licht ließ alles konturlos erscheinen, und so konnte ich nur raten, ob ich bei meinem nächsten Schritt nur bis zu den Knöcheln oder aber knietief im Schnee versinken würde.
    Die Winterlandschaft war nicht nur frei von Schattierungen, sondern auch von Geräuschen.
    Ich spitzte die Ohren, um eine Vogelstimme zu hören, aber die einzigen Geräusche,

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