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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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die ich vernahm, waren das sanfte Rauschen des Winds, der gelegentliche dumpfe Ton, wenn Schnee sich vom Dach löste und zu Boden rutschte, und mein angestrengtes Schnaufen. Der Nachtfrost hatte die Schneewehen mit einer Eisschicht überzogen, und so wurde jeder meiner Schritte von einem unnatürlich lauten Knirschen begleitet.
    Der offene Durchgang zwischen den beiden niedrigen Nebengebäuden war von noch höheren Schneewehen verstellt. Keuchend kämpfte ich mich durch die Schneemassen. Während ich mühsam einen Fuß vor den anderen setzte, hatte ich weniger Angst zu fallen, als auf den leblosen Körper von Catchpole zu treten. Er mochte nicht gerade mein bester Freund sein – noch immer hatte ich in lebhafter Erinnerung, wie grob er Jamie behandelt hatte –, aber ich wünschte niemandem, ein solch frostiges Schicksal zu erleiden.
    Beim Gedanken daran, dass der alte Mann auf dem Höhepunkt des Schneesturms in die finstere Nacht hinausgegangen war, zuckte ich zusammen. Der heulende Wind musste seine Petroleumlampe ausgeblasen haben, kaum war er in den Hof getreten, und angesichts der sich türmenden Schneemassen war ihm jeder Orientierungspunkt genommen. Von ganzem Herzen wünschte ich mir, ich hätte in der vergangenen Nacht die Geistesgegenwärtigkeit besessen, den alten Narren davon zu überzeugen, im Hauptgebäude zu übernachten und seine Wellensittiche eine Nacht lang sich selbst zu überlassen.
    Als ich das Ende des Durchgangs erreicht hatte, hielt ich kurz an, um meinen strapazierten Lungen eine Pause zu gönnen. Mein Blick fiel nach links, und wie Jamie es mir beschrieben hatte, auf eine Gruppe von Kiefern. Die Nadelbäume standen wie Wache haltende Soldaten vor einer Ansammlung blätterloser Bäume etwas weiter hinten. Die Kiefern waren so sehr mit Schnee bedeckt, dass die unteren Äste bis zum Boden reichten. Andererseits hatten sie den Wind abgehalten, sodass der Fußweg, der sich zwischen ihnen durchschlängelte, noch zu erkennen war.
    Froh, den anstrengenden Durchgang hinter mir zu lassen, marschierte ich auf die Baumgruppe zu. Ich war kaum zehn Schritte auf dem Fuß weg gegangen, als Catchpoles Cottage in Sicht kam.
    Das Cottage selbst war entzückend – klein, ein strohgedecktes Dach, die Mauern aus honiggelbem Kalkstein, der mit der Zeit angegraut war –, doch die märchenhafte Ausstrahlung des Häuschens wurde zunichtegemacht durch eine Ansammlung von Schuppen und angebauter Verschläge, die wie Kraut und Rüben aussahen. Offensichtlich waren sie aus übrig gebliebenem Bauholz und verrosteten Eisenteilen zusammengeschustert worden. Wenn das Kiefernwäldchen sie nicht vor dem Schneesturm geschützt hätte, wären die baufälligen Hütten in alle Winde geweht worden, und überall würden die Einzelteile verstreut herumliegen. Angesichts der Schneemassen, die sich auf den windschiefen Dächern angesammelt hatten, war es in meinen Augen ohnehin ein kleines Wunder, dass sie stehen geblieben waren.
    Tessa Gibbs musste dankbar sein, so dachte ich, dass sie aufgrund der Kiefern von dem Anblick verschont blieb, den Catchpoles Billigbauweise ihr ansonsten geboten hätte. Andererseits kam ich nicht umhin, seinen Erfindungsgeist zu bewundern. Lucasta DeClerke hatte es dem alten Mann nicht gerade leicht gemacht, sich über Wasser zu halten, also hatte er das Beste daraus gemacht mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen.
    Freude stieg in mir auf, als ich eine stete Rauchfahne von dem Kamin des Cottage aufsteigen sah. Rasch ging ich bis zum Ende des Wegs und klopfte an die Haustür. Auch wenn der Rauch ein klares Zeichen dafür schien, dass Catchpole nicht dem Schneesturm zum Opfer gefallen war, wollte ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er unversehrt war, ehe ich zur Abtei zurückkehrte.
    Doch statt die Tür zu öffnen, hörte ich ihn mürrisch durch das von der Zeit dunkel gewordene Holz rufen: »Wer ist da?«
    »Lori Shepherd«, rief ich im gleichen mürrischen Ton.

    »Was wollen Sie?«
    »Ähm … nichts, nichts Besonderes.« Wie eine der Halloween-Maskierten, die ihren »Süßes-sonst-gibt’s-Saures«-Spruch aufsagen, stand ich da, und als die Tür weiterhin fest verschlossen blieb, fügte ich hinzu: »Ich habe mir Ihretwegen Sorgen gemacht.«
    »Warum?«
    Ich rollte mit den Augen. »Oh, wissen Sie, Ihnen hätte ja alles Mögliche zugestoßen sein können … Unterkühlung, Frostbeulen, Wölfe. Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass Sie wohlauf sind, und ich nehme mal an,

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