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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Willis war, entschied aber, dass es nebensächlich war.
    »Bitte nennen Sie mich doch Lori«, sagte ich und ließ mich in den Lehnstuhl sinken. »Und das gilt nicht nur für hier, sondern auch in der Abtei drüben. Ich bin es nicht gewohnt, mit Madam angesprochen zu werden. Denn damit fühle ich mich wie eine hochnäsige Matrone.«
    »Also gut, dann eben Lori.« Einen Augenblick schaukelte Catchpole schweigend in seinem Stuhl, ehe er fortfuhr: »Es ist nett von Ihnen, an mich zu denken, Lori, aber es bestand kein Grund zur Sorge. Ich würde den Weg zu meinem Cottage auch mit verbundenen Augen finden, wenn es sein muss.«
    »Als Mutter bin ich eben immer in Sorge, Catchpole. Das ist sozusagen mein Job. Ich wäre viel ruhiger gewesen, wenn Sie gestern Nacht in der Abtei geblieben wären.«
    »Das mag sein«, erwiderte er steif, »ich wäre jedoch nicht ruhiger gewesen. Ich mag es nun mal nicht, wenn man sich über mich lustig macht, und genau das haben Sie getan, Sie und die anderen beiden: Sie haben hinter meinem Rü cken gelacht, während ich Milch für Ihren Tee geholt habe.«
    Ich rief mir den fraglichen Moment in Erinnerung und entschied mich für die diplomatische Halbwahrheit. »Wir haben uns nicht über Sie lustig gemacht, Catchpole. Wir haben … vor Freude gelacht. Weil wir dem Sturm entkommen waren, verstehen Sie? Und Ihrer Flinte.«
    Catchpole wurde rot. »Je weniger man dar über spricht, desto besser.«
    »Kein Wort mehr darüber, versprochen!« Ich wärmte meine Hände an dem gestreiften Becher und nippte an dem starken, süßen Tee. »Wann immer Ihnen danach ist, in die Abtei zu kommen, Sie sind herzlich willkommen. Wir alle freuen uns, Sie zu sehen.« Die Einladung war ehrlich gemeint, doch sobald die Worte heraus waren, bereute ich sie auch schon. Ich warf einen verstohlenen Blick auf Catchpoles versteinerte Miene und beeilte mich, meinen Fehler wiedergutzumachen. »Nicht dass ich in der Position wäre, Sie einzuladen, das würde ich dann doch Ihnen überlassen, Catchpole, aber …«
    »Ich verstehe schon«, sagte er gnädig, »und werde darauf zurückkommen.«
    Dankbar nickte ich, um dann schweigend in die Flammen zu starren. Ich wünschte, den Kamin auf meinem Zimmer mit Holzscheiten bestücken zu können statt mit Kohle. Kohle hatte zwar einen höheren Heizwert – sie brannte gleichmäßig und gab mehr Wärme ab –, aber ein Kohlenfeuer ließ den süßen Holzduft eines Holzfeuers vermissen, ebenso wie das gemütliche Knistern und Knacken von brennenden Holzscheiten.
    »Dennoch verstehe ich, warum Sie sich lieber hier aufhalten«, sagte ich nach einer Weile. »Ihr Cottage ist wunderschön.«
    »Finden Sie?« Catchpole hörte sich erstaunt an. »Hab es noch nie von der Seite gesehen. Ich wohne eben hier.«
    »Ja, man merkt, dass Sie sich hier zu Hause fühlen.« Ich hob den Becher und deutete damit auf die Fotografie auf dem Kaminsims. »Ist das Ihre Mutter?«
    »Es ist Miss DeClerke, als sie noch klein war.
    Mutter hat das Bild sehr geliebt, deshalb habe ich es aufbewahrt, in Erinnerung an sie beide.«
    Ich stand auf, um erneut die strahlenden Augen und das bezaubernde Lächeln des Mädchens zu betrachten. Unschwer konnte ich mir vorstellen, wie sie in Catchpoles Irrgarten in Hütten und Schuppen herumkletterte, Brötchen über einem offenen Feuer röstete oder mit ihm im Kiefernwäldchen Verstecken spielte.
    »Hat sie viel Zeit hier verbracht?«, fragte ich.
    »Als sie noch klein war, schon. Aber als ich hierher kam, war sie nicht mehr so oft hier. Sie war elf Jahre älter als ich, und als sie zu einer jungen Dame herangewachsen war, gehörte es sich nicht mehr, sich hier herumzutreiben. In den alten Zeiten gab es noch eine klare Trennlinie zwischen Bediensteten und ihren Herrschaften.«
    »Vermissen Sie die alten Zeiten?«, fragte ich.
    »Manchmal. Alles ging gemächlicher damals, nicht so wie heute, wo die Leute durch die Gegend hetzen und ausgelaugt und abgestumpft sind. Niemand scheint mehr er selbst sein zu wollen heutzutage. Immer wieder schlüpfen sie in eine neue Haut und wundern sich dann, dass sie nicht hineinpassen. Das ist der Grund dafür, dass viele so unglücklich sind. Und …« – der schroffe Ton seiner Stimme wurde sanfter – »… damals konnte man den Menschen trauen. Man musste nicht bei Tag und Nacht wie ein Habicht aufpassen, dass man nicht ausgeraubt wurde.«
    Ich spürte, dass er dabei war, wieder in das Fahrwasser »Alle Amerikaner sind Diebe« zu geraten, und kehrte

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