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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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dass Sie das sind, also werde ich Sie nicht länger belästigen. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.«
    In die letzten Worte legte ich eine gehörige Portion Sarkasmus und wollte gerade auf dem Absatz kehrtmachen, als die Tür aufschwang und Catchpole im Türrahmen erschien. Er trug einen Arbeitsoverall, Arbeitsstiefel, ein kariertes Flanellhemd und eine mottenzerfressene braune Strickjacke.
    »Kommen Sie herein«, sagte er kurz angebunden. »Ich wollte gerade Teewasser aufsetzen.«
    Ich nickte steif und folgte ihm in ein dämmrig beleuchtetes Wohnzimmer. Es roch nach Kräutern und Holzfeuer und strahlte die behagliche Wärme eines Zimmers aus, in dem alles bunt zusammengewürfelt ist – nichts passte zusammen, aber insgesamt machte es doch einen anheimelnden Eindruck. Den Steinfußboden bedeckten ausgeblichene Flickenteppiche, eine alte Patchworkdecke war über eine antike Eichenkommode geworfen, und über einem plumpen Eichenschreibtisch hing eine Reihe Kunstdrucke mit Jagdszenen, die von einfachen Rahmen gehalten wurden. Daneben stand ein Bücherregal mit sechs Fächern, das vollgestopft war mit zerfledderten Biografien, Reisebüchern und naturwissenschaftlichen Werken.
    Von den Dachsparren hingen Sträuße getrockneter Kräuter, und den niedrigen Sims des einzigen Fensters säumten Tontöpfe mit frischen Kräutern. Ein durchgesessener Sessel und ein hölzerner Schaukelstuhl standen gegenüber dem Steinkamin, in dem ein gemütliches Holzfeuer ein gelegentliches Knacken von sich gab. Der wuchtige Kaminsims war mit allerlei Krimskrams beladen – einer Tabakdose, einem Pfeifengestell und einem Krug, auf dem die Krönung von George IV. dargestellt war. Auf einer Holzstange über dem Schaukelstuhl saß eine ausgestopfte Eule, und als sie träge ein riesiges gelbes Auge öffnete, hätte mich beinahe der Schlag getroffen.

    »Sie ist … gar nicht … ausgestopft«, brachte ich stammelnd hervor.
    »Natürlich nicht«, sagte Catchpole. Allein der Gedanke schien ihn zu schockieren. »Wozu sollte ich einen ausgestopften Vogel haben? Ekelhaftes Zeug, wenn Sie mich fragen.« Er ging zu der Eule hinüber und strich ihr über den Rücken. »Sie ist eine Waldohreule, o ja. Sehen Sie die Federohren? Hab sie vor drei Wochen gefunden, die Fü ße in einer Angelschnur verwickelt, die so ein Idiot am Fluss liegen gelassen hat. Die Schnur hat sich tief eingeschnitten, aber sie wird sich wieder erholen. In der Küche hab ich ein Blaumeisenpaar, die letzten Frühling aus ihrem Nest gefallen sind. Scheinen gar nicht mehr wegfliegen zu wollen.« Er bedeutete mir, mich in den Lehnstuhl zu setzen. »Ziehen Sie den Parka aus. Ich schau mal, was der Tee macht.«
    Fasziniert betrachtete ich die Federohren der Eule. Die hatte offensichtlich das Interesse an mir verloren, denn sie schloss ihr gelbes Auge wieder, so langsam wie sie es geöffnet hatte. Während der alte Mann sich in der Küche zu schaffen machte, schüttelte ich lächelnd den Kopf. Nur jemand wie Catchpole konnte eine solch wilde, würdevolle Kreatur mit der Bezeichnung Wellensittich belegen.

    Ich hängte Jamies Parka über die Rückenlehne des Sessels und stellte mich vor das Kaminfeuer, um meine durchnässte Jeans ein wenig zu trocknen. Auf dem Kaminsims, zwischen dem Pfeifenhalter und dem Bierkrug, stand ein gerahmtes Foto. Es war das sepiafarbene Porträt eines kleinen Mädchens in einem rüschenbesetzten Kleid mit tief geschnittener Taille. Ein Bein unter dem Körper angewinkelt, saß sie auf einem samtbezogenen Schemel, das lange blonde Haar war mit einer weißen Schleife zusammengebunden und fiel darunter in dichten, weichen Locken herab.
    Die Hände hatte sie sittsam im Schoß gefaltet, doch ihre Augen funkelten übermütig, und ein bezauberndes Lächeln lag auf ihren Lippen.
    »Sahne und Zucker?«, rief Catchpole aus der Küche.
    »Ja, beides bitte.« Mir fiel auf, dass der Verwalter mich nicht länger mit »Madam« ansprach.
    Im Herrenhaus mochten derlei Förmlichkeiten angebracht sein, in Catchpoles Cottage hingegen schienen wir auf gleicher Augenhöhe zu sein.
    »Hier kommt der Tee, Mrs Shepherd.« In jeder Hand einen blauweiß gestreiften Becher, kehrte Catchpole ins Wohnzimmer zurück. Er reichte mir einen, ehe er sich in den Schaukelstuhl setzte.

    Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich ihm erklären sollte, dass ich meinen Mädchennamen behalten hatte, als ich heiratete, und deshalb immer noch Shepherd hieß, also anders als mein Mann, dessen Nachname

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