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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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innerlich triumphierend. Es gab nichts Beschämende-res für jemanden von der Karten-und-Kompass-Fraktion, als sich eingestehen zu müssen, dass einem eine besonders wichtige Karte abhanden-gekommen war. Das brachte diese Spezies unweigerlich dazu, sich mit der schrecklichen und entwürdigenden Möglichkeit auseinanderzuset-zen, sich verirren zu können.
    Wendy musste den ironischen Unterton in meiner Stimme bemerkt haben, denn sie sah mich scharf von der Seite an, um dann meine schneegetränkte Jeans einer eingehenden Inspektion zu unterziehen.
    »Was haben Sie denn gemacht?«, fragte sie.
    »Im Schnee herumgetollt? Sind Sie nicht ein bisschen zu alt für solche Spielchen?«
    Innerlich vor Wut kochend, legte ich mir eine schnippische Antwort zurecht, doch Jamie kam mir zuvor.

    »Lori war auf einer ganz besonderen Mission, nämlich in Sachen Menschlichkeit: Sie hat nachgesehen, ob Catchpole gestern Abend sicher zu Hause angekommen ist. Kurz und gut, sie hat sich bis zu seinem Cottage durchgekämpft und wieder zurück, eine Heldentat, die einem Sir John Franklin zur Ehre gereicht hätte.«
    »Ich bin froh, dass Sie das übernommen haben.« Nicht ohne mich mit einem herablassenden Blick zu bedenken, wandte sich Wendy von mir ab und Jamie zu. »Ich habe Hunger. Willst du auch etwas zu Mittag essen?«
    »Ich bin sicher, dass wir alle etwas essen wollen«, erwiderte Jamie.
    »Ich schau mal, was die Speisekammer so her-gibt«, sagte Wendy und ging wieder auf den Flur hinaus.
    Als sie außer Hörweite war, murmelte ich nachdenklich: »Glaubst du, sie wäre sehr wü-
    tend, wenn ihr plötzlich all ihre Karten abhan-denkämen? Das ließe sich arrangieren.«
    »Vergiss es«, erwiderte Jamie lachend. »Geh du besser auf dein Zimmer und zieh dir was Trockenes an. Bis du wieder unten bist, wird auf dem Herd ein Topf Suppe stehen, die leise vor sich hin köchelt.«
    Ich warf ihm ein schuldbewusstes Lächeln zu, sammelte Jacke, Mütze und Handschuhe ein und ging in Richtung meines Zimmers. Als ich an der Speisekammer vorbeikam, hörte ich Wendy dort rumoren, verzichtete aber darauf, einen Blick hineinzuwerfen. Je weniger Kontakt wir mitein-ander hatten, umso besser, sagte ich mir.
    Für mich war es klar, dass sie die Urheberin des geheimnisvollen Lichts war, das Catchpole vergangene Nacht auf dem Dachboden gesehen hatte, und ich zweifelte keine Sekunde daran, was sie dort oben gesucht hatte. Sicherlich keine zusätzlichen Decken, dafür schien mir der Weg doch etwas lang, aber umso idealer war der Ort, um nach wertvollen Gegenständen zu suchen, die man mitgehen lassen konnte. Wer würde je In-ventur der Dinge machen, die man dort verstaut hatte?, überlegte ich weiter. Ladythorne war vermutlich bis in den hintersten Winkel mit Nippes gefüllt. Es würde Jahre dauern, bis jemandem auffiel, dass etwas fehlte.
    Allerdings mussten es kleine, handliche Dinge sein, um sie im Rucksack transportieren zu können, doch mir fielen auf Anhieb Dutzende trag-barer Gegenstände ein, die die DeClerkes über die Jahre angesammelt haben könnten: Schnupf-tabakdosen, kleine Krüge, Kerzenhalter, Reise-wecker …

    Auf dem Weg von Catchpoles Cottage zurück hatte ich beschlossen, meinen Verdacht für mich zu behalten. Erst wollte ich eine Gelegenheit abwarten, um selbst einen Blick auf den Dachboden zu werfen. Jamie hatte meine Befürchtungen in Bezug auf Wendy als eine Art Überreaktion auf die merkwürdige Situation abgetan, in der wir uns auf Ladythorne befanden. Also wollte ich etwas Konkretes vorweisen können, wenn ich ihn abermals damit behelligte – einen Stiefelab-druck im Staub vielleicht, oder ein aufgebrochenes Schloss, dessen Kratzer unmissverständlich auf die Einwirkung eines Stemmeisens zurückzuführen waren. Wenn ich Jamie beweisen konnte, dass Wendy hinter unserem Rücken in der Abtei herumgeschnüffelt hatte, würde er mich ernst nehmen müssen. Er würde mir vielleicht sogar helfen, sie im Auge zu behalten.
    Ich betrat mein Zimmer, rief Reginald einen fröhlichen Gruß zu und legte Jacke, Mütze und Schal auf den Ankleidesessel. Während meiner Abwesenheit war das Zimmer abgekühlt, also schüttete ich die restliche Kohle auf die Glut und stellte den leeren Eimer neben die Tür, als Erin-nerungsstütze, ihn später mit hinunterzunehmen.
    Im Schrank fand ich eine hellgraue Gabardi-nehose und ein Paar hirschlederne Hausschuhe, die ich am vorigen Abend übersehen haben musste. Die Slipper waren etwas zu groß, und die Hose war zu

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