Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
jeden Mittwoch in einem exklusiven Club verbringt, können wir getrost davon ausgehen, dass der Umzug nach Newcastle keine Degradierung bedeutet hat.«
Gabriel fuhr den Mietwagen und hatte meinen Segen dazu. Die Segeltuchtasche fest an meine Brust gedrückt, sah ich die sanften Hügel an uns vorbeiziehen, ohne sie wirklich zu registrieren.
Nervös fieberte ich dem entgegen, was uns in der gut bestückten Lounge des Fairhaven Club erwartete.
»Ich hoffe nur, dass Kenneth noch geradeaus schauen kann, wenn wir dort ankommen«, murmelte ich.
»Wenn er seit sieben Uhr Whiskey verkostet, wird der Zustand seiner Augen noch unser geringstes Problem sein«, meinte Gabriel.
Das Schild mit dem Namen Fairhaven Golf Club war so diskret angebracht, dass wir garantiert daran vorbeigefahren wären, wenn uns Fiona MacDonald nicht geraten hätte, danach Ausschau zu halten. Die nächste Schwierigkeit war das in eine rote Ziegelmauer eingelassene schmiedeeiserne Tor
– es war abgeschlossen. Gabriel kurbelte das Fahrerfenster herunter und bediente sich einer in Griffweite angebrachten Sprechanlage, um unsere Ankunft zu melden. Als er dann erfuhr, dass sein Name im Gegensatz zu meinem nicht auf der Gästeliste stand, reagierte er etwas verschnupft.
»Ich sollte einen blauen Anzug und eine Mütze tragen«, knurrte er. »Sie scheinen dem Trugschluss zu unterliegen, dass ich dein Chauffeur bin.«
»Du bist trotzdem der Ranghöhere von uns beiden«, entgegnete ich. »Du bist ein Mann.«
Das schwarze Tor schwang auf, und wir fuhren langsam den von Bäumen gesäumten gepflasterten Weg zum Clubhaus hinauf. Bei dem ehemaligen Gutshaus handelte es sich um ein ziemlich hässliches viktorianisches Ziegelgebäude mit protzigen gelben Steinbordüren um die Fenster und einem zwei Stockwerke hohen Erkerfenster in der Mitte des Hauptbaus. Der Eingang befand sich am äußeren Ende des Westflügels unter einem Schutzdach.
Während ein Diener unseren Wagen parkte, wurden wir von einem Pagen empfangen. Dieser übergab unsere Jacken einem Bediensteten an der Garderobe und erbot sich, mir auch die Segeltuchtasche abzunehmen, doch ich bestand darauf, sie zu behalten. Als Nächstes wurden wir zur Rezeption geführt. Der Chefportier, auch er wie alle anderen vom Personal männlichen Geschlechts, ließ uns Name und Adressen ins Gästebuch eintragen und teilte dem Clubsekretär telefonisch mit, dass Mr Fletcher-Beauchamps’ Gäste eingetroffen waren.
Fiona hatte sich ganz offenbar gehörig ins Zeug gelegt, als sie von meinem Reichtum geschwärmt hatte. Und dass der Clubsekretär uns ohne ihre Bemühungen seiner Aufmerksamkeit würdig erachtet hätte, bezweifelte ich sehr, denn als er in einer Tür hinter dem Portierspult erschien und mich erblickte, verrieten seine blauen Augen eine gewisse Enttäuschung. Er hatte eindeutig eine in Pelze gehüllte grande dame erwartet, keine kleine Amerikanerin in Gabardinehose und schwarzem Kaschmirpullover mit Rollkragen.
Er trat auf mich zu. »Ian Drover, Clubsekretär.
Willkommen im Fairhaven, Ms Shepherd. Sie möchten mit Mr Fletcher-Beauchamps sprechen, nehme ich an. Wenn Sie mir bitte folgen möchten.«
Gabriel, der uns peinlich berührt mit drei Schritten Abstand folgte, ignorierte der Sekretär.
Die Lounge, ein riesiger Raum mit hoher Decke, der sich des mächtigen Erkerfensters rühmte, befand sich im Erdgeschoss. Wahrscheinlich war hier das Wohnzimmer des Speditionsmagnaten gewesen, bevor sein finanzieller Niedergang eingesetzt hatte. Die Wände waren mit Eichenholz vertäfelt, die Mahagonibar erstreckte sich längs der ganzen hinteren Wand, und über den gesamten Raum verteilten sich Sitzgruppen aus kleinen Walnussholztischen inmitten von dunklen Ledersesseln. In der Luft hing ein dezentes Zigarrenaroma, auch wenn von den wenigen Männern, die hier und da an den Tischen saßen und Zeitung lasen, keiner rauchte.
Mr Drover führte uns zu einem Tisch vor dem Erkerfenster, an dem ein Mann allein mit dem Rü cken zum Raum saß. Der Clubsekretär blieb gut einen Meter von ihm entfernt stehen, hielt sich die Hand vor den Mund und räusperte sich dezent, so wie es alle guten Butler dieser Welt tun. »Mr Fletcher-Beauchamps. Ihre Gäste sind eingetroffen.«
Dann nickte er uns zu und zog sich zurück. Er hatte seine Pflicht getan.
Der Mann erhob sich aus seinem Sessel und wandte sich um. Wenn es ein sonniger Tag gewesen wäre, hätte ich die Augen gegen das durch die Fenster hereinflutende Licht zukneifen
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