Tante Dimity und die unheilvolle Insel
könnte, uns zu vergiften . Genauso wenig hätte ich mir vorstellen können, er würde uns elektronisch ausspionieren. Während die Jungs und ich fast schon rennen mussten, um mit Mrs Gammidge Schritt zu halten, erkannte ich mit einem Schlag, dass Sir Percy Pelham in einer Welt lebte, die ganz anders war als meine eigene. In der meinen spähten Haushälterinnen auf der Suche nach Wollmäusen unters Bett. In der seinen hielten sie Ausschau nach verborgenen Mikrofonen.
Auf dem zweiten Treppenabsatz bog Mrs Gammidge rechts in einen mit rotem Teppich ausgelegten Flur ab und blieb schließlich vor einer nur grob bearbeiteten Eichenholztür mit kunstvoll gefertigten schwarzen Griffen stehen.
»Ich bin sicher, dass Ihre Gäste erst ihre Zimmer sehen und sich nach der Reise frisch machen wollen«, meinte sie an ihren Arbeitgeber gewandt.
»Andererseits hielt ich es für ratsam, ihnen vorher Mr Hunter und Mr Ross vorzustellen.«
»Hunter und Ross sind schon da?«, fragte Percy. »Sehr schön. Dann sind wir ja im Zeitplan.«
»Wir sind dem Zeitplan voraus «, verbesserte ihn Mrs Gammidge. »Mr Hunter und Mr Ross sind schon gestern Abend eingetroffen. Ich habe einen kleinen Imbiss im Salon vorbereitet, und um eins wird im Speisezimmer das Mittagessen serviert. Möchten Sie mit Cook über das Menü sprechen, oder wollen Sie die Zusammenstellung ihr überlassen?«
»Am besten Letzteres«, erwiderte der Hausherr. »Sie weiß ja, was im Haus ist.«
Während die beiden erörterten, was im Haushalt zu erledigen war, erforschten die Jungs und ich den Korridor. Obwohl ihn der Teppich bedeckte, wirkte er abweisend und etwas unheimlich. Die Decke war tonnenförmig gewölbt, und die Steinwände waren kaum verputzt – genau wie schon in der Eingangshalle. In unregelmäßigen Abständen waren mit Glühbirnen ausgestattete Fackelhalter aus Gusseisen daran angebracht. Doch obwohl es aus dem Stromnetz kam, flackerte das Licht derart heftig, dass es mehr Schatten als Helligkeit zu verbreiten schien und Mrs Gammidges ohnehin schon kantiges Gesicht wie einen Totenschädel aussehen ließ. Die gespenstische Stimmung blieb von meinen Kindern nicht unbemerkt. Auch wenn sie kein Wort sagten, drückten sie sich so fest an mich, dass sie mir beinahe auf den Füßen standen.
»Soll ich jetzt nach Mr Hunter und Mr Ross rufen, Sir?«, erkundigte sich die Haushälterin.
»Je früher, desto besser«, antwortete Percy.
»Danke, Mrs Gammidge. Unsere Gäste übernehme ab jetzt wieder ich.«
Die Haushälterin nickte knapp. Während sie über den Korridor davoneilte, stemmte Percy die Hände gegen die Griffe der mächtigen Eichentür und stieß die Flügel auf.
Ich schnappte nach Luft, und die Jungs schrien vor Schreck.
5
DAS LICHT WAR SO grell, dass es in den Augen schmerzte.
»Himmel, Percy!«, beschwerte ich mich, als die Kinder die Gesichter an meinen Schenkeln verbargen. »Du hättest uns warnen können.«
»Tut mir wirklich leid«, murmelte er zerknirscht. »Ich bin den Salon natürlich gewohnt, aber ihr seid zum ersten Mal da. Kleiner Schock für die Nerven, was?«
»Ein kleiner«, gestand ich ihm blinzelnd zu.
Von dem düsteren Korridor waren wir übergangslos in ein vom Sonnenlicht überflutetes Zimmer getreten. Gegenüber der Eichentür befand sich eine lange Wand mit gotischen Maß werkfenstern. Allerdings waren die ursprünglichen Bleiglasscheiben durch modernes Glas ersetzt worden, das einen ungetrübten Blick auf den weiten Himmel und das glitzernde Meer erlaubte. Das Ergebnis war im wahrsten Sinne des Wortes blendend.
Als meine Augen sich auf das grelle Licht eingestellt hatten, erkannte ich, dass sich Percys Vorstellung von einem Wohnzimmer – genau wie die von einer Haushälterin – grundlegend von meiner unterschied. Das Zimmer war mindestens fünfzehn Meter lang und zehn breit.
»Früher war es doppelt so groß«, kommentierte der Hausherr, der meine Verblüffung bemerkt hatte. »Hat mehr wie ein Flugzeughangar ausgesehen, und das Heizen hat mich ein Vermögen gekostet. Drum hab ich die Decke abgesenkt und eine Zwischenwand eingezogen.« Er deutete auf eine Tür links von ihm. »Dort ist jetzt das neue Speisezimmer.«
Der Salon sah also nicht mehr wie ein Flugzeughangar aus, sondern wie ein gemütliches, wenn auch überdimensioniertes Wohnzimmer.
Die Wände waren glatt verputzt, in einem warmen Gelbton gestrichen, der an geschmolzene Butter erinnerte, und mit in Gold gerahmten Meereslandschaften behängt. Aus
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