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Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Titel: Tante Dimity und die unheilvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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zur Treppe vor dem Hauptgebäude der hufeisenförmigen Anlage voran. Als wir ihm folgten, jagte er die breiten Steinstufen hinauf, um uns dann die massive, mit Eisen beschlagene Holztür aufzuhalten, damit wir im Gänsemarsch in eine Vorhalle treten konnten, die aussah, als wäre sie seit dem finsteren Mittelalter nicht mehr verändert worden.
    Alles schien aus tristem grauem Stein gemacht zu sein – der Boden, die Wände und die Treppe, die von der Mitte der Halle nach oben führte.
    Sonnenlicht fiel fahl und gefiltert durch ein Buntglasfenster über dem ersten Treppenabsatz herein und beleuchtete die wenigen Gegenstände, die nicht aus Stein waren: zwei fleckige Ritterrüstungen, ein paar gedrungene Holzmöbel und Gobelins, die irgendetwas verbargen – vielleicht dunkle Geheimgänge zu anderen Teilen der Burg, sinnierte ich. Insgesamt wirkte alles grau, beklemmend und kalt. Als Percy dann die eisenbeschlagene Flügeltür hinter uns schloss, befiel mich das unheimliche Gefühl, dass wir in einem Grabmal eingesperrt wurden.
    Die düstere Eingangshalle schien unseren Freund freilich nicht zu kümmern. Mit ein paar Schritten stürmte er an mir vorbei, sprang auf die unterste Stufe der Treppe, drehte sich mit weit ausgebreiteten Armen zu uns um und verkündete: »Willkommen auf Dundrillin Castle!« Mit seinen glitzernden blauen Augen und dem dichten, vom Wind zerzausten Haar sah er allerdings eher aus wie ein verschrobener Santa Claus.
    Seine Worte hallten noch von den Mauern wider, als ein Brokatvorhang zur Seite geschoben wurde und eine kräftige grauhaarige Frau durch die Eingangshalle auf uns zuschritt. Sie trug ein blassgraues Twinset, einen Tweedrock und Schuhe ohne Absätze. Ihr langes, spitzes Gesicht wurde beherrscht von einer langen, spitzen Nase.
    Sie war dünn wie eine Bohnenstange, fast so groß wie Percy und trug ihr Haar zu einem strengen kinnlangen Pferdeschwanz gebunden, der ihre knochigen Züge noch stärker hervorhob.
    »Ah, Mrs Gammidge!«, rief Percy. »Lori, Will, Rob – das ist Mrs Gammidge, meine Haushälterin.«
    »Guten Tag, Ms Shepherd, Master Will, Master Rob.« Sie nickte uns nacheinander zu.
    »Mrs Gammidge ist zuständig für alle meine Güter«, erklärte Percy. »Normalerweise kommen wir nicht vor Ende Mai so hoch in den Norden rauf, aber sie und noch ein paar andere Mitglieder des Personals sind schon früher von Kent hergefahren, um die Burg für euch auf Vordermann zu bringen.«

    Mir wurde flau im Magen. Kent war im Süden von England, Hunderte von Meilen von den Inseln im Nordwesten draußen entfernt. »Das ist ein weiter Weg bei einer so kurzfristigen Ankündigung«, sagte ich zutiefst gerührt.
    »Wir wissen es ja schon seit fast einer Woche, Ms Shepherd«, erwiderte Mrs Gammidge. Sie sprach knapp und präzise mit einem Hauch von schottischem Akzent. »Wenn nötig, hätten wir die Fahrt und die Vorbereitungen für ihre Ankunft auch in kürzerer Zeit erledigen können.
    Wir sind ein sehr gut organisierter Haushalt.«
    »Bill hat mich vor zehn Tagen angerufen und gefragt, ob ich zur Verfügung stehen könnte, falls es nötig werden sollte«, informierte mich Percy. »Nächsten Monat wären wir sowieso aufgebrochen. Und was sind schon ein paar Wochen unter Freunden? Mrs Gammidge ist natürlich über die Umstände in Kenntnis gesetzt worden und hat angemessene Vorkehrungen getroffen.«
    »Was für angemessene Vorkehrungen?«, fragte ich verdattert.
    »Bei jemandem mit Sir Percys gesellschaftlicher Stellung ist es nicht ungewöhnlich, dass er zur Zielscheibe aller Arten von Unfreundlichkeiten wird«, erklärte die Haushälterin. »Industriespionage, Erpressung, Entführungen und auch gelegentliche Todesdrohungen sind uns nicht unbekannt. Sicherheit ist für uns deshalb oberste Devise. Ich habe Ihr Zimmer auf Wanzen untersucht …«
    »Wanzen?«, fiel ich ihr ins Wort. Meine Verwirrung wuchs.
    »Abhörgeräte. Ich habe auch die Zimmer Ihrer Söhne durchkämmt und kann Ihnen zu meiner Freude mitteilen, dass ich nichts Verdächtiges gefunden habe. Unsere Köchin – jeder hier nennt sie Cook – ist seit fast vierzig Jahren bei uns, sodass Sie sich wegen des Essens nicht zu sorgen brauchen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
    Als sie unsere kleine Gruppe die Treppe hinaufführte, starrte ich bestürzt ihren Hinterkopf an. Um das Essen hatte ich mir bis zu dem Moment, da sie es erwähnte, überhaupt keine Gedanken gemacht. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass Abaddon versuchen

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