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Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Titel: Tante Dimity und die unheilvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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dass Sie mich nicht vom Balkon gestoßen haben.«
    »Ich würde Sie lieber auf dem Balkon haben«, sagte er.
    »Warum?«, fragte ich niedergeschlagen. »Warum sollten Sie wegen einer dummen Gans wie mir Kopf und Kragen riskieren?«
    »Weil Sie es wert sind, dass man für Sie Kopf und Kragen riskiert.«
    »Dann muss man Sie ja verdammt gut dafür bezahlen.«
    »Wissen Sie eigentlich, warum Sie mich nicht ernst genommen haben?«, fragte Damian unvermittelt. »Weil Sie, wie schon Peter gesagt hat, von den Menschen nur das Beste denken möchten. Sie haben den Glauben, dass der Mensch im Grunde seines Wesens gut ist. Sie können sich nicht wirklich vorstellen, dass jemand den Wunsch haben könnte, Ihnen etwas Böses zu tun. Dabei sind Sie überhaupt nicht naiv. Sie sind sich dessen bewusst, dass es das Böse gibt, aber Sie sind fest davon überzeugt, dass das Gute es jedes Mal besiegen kann. Ich hatte schon fast vergessen, dass es Menschen wie Sie gibt. Sie gehören einer vom Aussterben bedrohten Gattung an, Lori, und ich werde nicht zulassen, dass Sie von dieser Erde verschwinden. Ohne Sie wäre die Welt viel ärmer.« Er machte eine Pause. »Aber die Bezahlung ist natürlich auch verdammt gut.«
    Ich stieß ihm den Ellbogen in die Rippen, lä chelte zaghaft unter Tränen und musste wieder mal mein Taschentuch einsetzen. Als ich fertig war und es wieder einstecken konnte, schlang ich die Arme um die Knie und fragte: »Ist das der Grund, warum Sie heute Morgen nicht mit uns geschwommen sind? Weil niemand Ihre Narben sehen sollte?«
    »Ich wollte Ihre Kinder nicht erschrecken«, gab er zu.
    »Diese kleinen Scheusale?«, schnaubte ich.
    » Die hätten Sie bestimmt nicht erschreckt! Sie hätten gesagt, Sie sind das Coolste, was es auf der Welt gibt.« Ich zog meine Knie näher an mich heran. »Apropos cool: Bilde ich mir das nur ein, oder ist es hier unten kühler geworden?«

»Ihnen wird nur kälter, weil Sie sitzen«, meinte Damian. »Wenn wir uns bewegen, wird uns wieder warm. Ich denke, es ist Zeit, die anderen Gänge zu erforschen. Machen Sie bitte die Augen zu. Ich schalte jetzt meine Lampe an.«
    Als sich unsere Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, traten wir in die Öffnung links von derjenigen, die uns zum Meer geführt hatte. Dahinter begann ein Stollen, der so niedrig war, dass sogar ich den Kopf einziehen musste.
    Der arme Damian musste sich fast zusammenfal-ten. Wir waren wohl beide erleichtert, dass wir bald auf einen Steinhaufen stießen, der den Weg bis zur Decke versperrte und uns zum Umkehren zwang.
    Der letzte Gang führte uns nur etwa zwanzig Meter weit, ehe auch dort ein Steinhaufen den Weg blockierte. Ich wollte schon umkehren, doch Damian blieb stehen. Er suchte die Steine mit dem Lichtstrahl ab, zog dann den obersten heraus und reichte ihn mir.
    »Hab ich’s mir doch gedacht«, murmelte er und spähte durch das Loch. »Zu regelmäßig. Das war kein natürlicher Steinschlag. Die hat jemand aufeinandergeschichtet, um den Tunnel zu versiegeln. Die Mauer ist höchstens fünfzehn Zentimeter dick. Lassen Sie uns rausfinden, was sich dahinter verbirgt.«
    Sorgfältig trug er den von Menschen geschaffenen Steinhaufen ab, bis eine Öffnung frei wurde, die gerade breit genug war, dass wir uns durchquetschen konnten. Ein kurzer Stollen führte uns zu einer Kammer, die in Form und Größe der Mönchshöhle ähnelte und deren Boden mit Sand bedeckt war. Damian schritt die Wände im Kreis ab und hielt nach irgendwelchen Lücken Ausschau, die vielleicht den Weg zu anderen Höhlen öffneten.
    »Keinerlei Ritzen, Spalten oder Schächte«, meldete er. »Offenbar sind wir in einer Sack …«
    Er verstummte jäh, als er über irgendein Hindernis stolperte und auf die Knie fiel. Die Taschenlampe flog ihm aus der Hand, aber weil er sie sich ans Handgelenk gebunden hatte, konnte er sie gleich wieder benützen.
    »Damian?«, fragte ich und trat vorsichtig zu ihm hin. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Nichts passiert«, antwortete er. Doch er war nicht aufgestanden, sondern kniete immer noch und richtete den Scheinwerfer auf den Gegens-tand, über den er gestolpert war.

    Es war ein rechteckiger Behälter von der Grö-
    ße einer Seemannskiste aus undurchsichtigem schwarzem Plastik. Zwei massive Schnappriegel verschlossen den Deckel, der auf der anderen Seite fest an Scharnieren verschraubt war.
    Daneben waren insgesamt elf identisch aussehende Truhen an der Wand aufgereiht.
    »Soso«, murmelte Damian.

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