Tante Dimity und die unheilvolle Insel
aus.
Als wäre sie per Gedankenübertragung herbeigerufen worden, trat nun Mrs Gammidge ein.
Sie legte einen Stoß Wolldecken auf die Couch, registrierte mit einem entsetzten Blick den vielen Sand an unseren Schuhen, lud sich unsere Jacken und Mützen auf die Arme und nahm Percys Bestellung von Kakao und Sandwiches entgegen.
»Seid ihr sicher, dass ihr nicht bequemere Sachen anziehen wollt?«, erkundigte sich Percy besorgt. »Ihr seht einigermaßen mitgenommen aus.«
Ich bedachte ihn mit einem Blick, der ihm die Augenbrauen hätte versengen müssen. »Mir geht’s blendend, danke, aber wenn du uns nicht auf der Stelle sagst, was hier gespielt wird, Percy, dann fange ich an zu schreien .«
»Na, na …« Percy schnalzte missbilligend mit der Zunge, als wäre ich ein ungezogenes Kind, dann führte er mich zum Sofa und breitete mir eine Decke über den Schoß. »Wir haben schon eine Kleinigkeit gegessen, aber du hast das Dinner verpasst, armes Mädchen. Wenn du was im Magen hast, wirst du dich gleich besser fühlen.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Entspannen Sie sich, Damian. Sie sind hier unter Freunden.«
Damian nahm am anderen Ende des Sofas Platz, lehnte jedoch die ihm angebotene Decke ab. So, wie er jetzt ein Bein über das andere schlug und Peter fragend anblickte, wirkte er eher nachdenklich als erbost.
»Ich denke, wir warten erst auf die Sandwiches«, bestimmte Percy und setzte sich auf einen Stuhl rechts von mir. »Es ist eine wunderbare Geschichte – ihr werdet noch in Jahren darüber lachen, das verspreche ich euch –, und da wäre es doch schade, wenn sie durch ständige Unterbrechungen verdorben würde.«
Zu Percys Glück lief der Haushalt dank der tüchtigen Mrs Gammidge auf Hochtouren, sodass wir nicht lange warten mussten. Binnen zwanzig Minuten kam sie mit dem Gewünschten und noch mehr zurück: üppig belegte Sandwiches, eine Isolierkanne heißer Kakao und dicke Scheiben saftiger Schokoladenkuchen mit Schlagsahne darauf. Während sich Percy beim Kuchen bediente, stürzte ich mich auf die Sandwiches wie ein ausgehungerter Geier. Percys Prophezeiung bestätigte sich umgehend. Mit etwas Nahrung im Bauch fühlte ich mich tatsächlich viel besser.
Als der schlimmste Hunger gestillt war, wandte sich Percy mit einem aufmunternden Nicken an Peter. »Die Bühne gehört dir, junger Mann.
Erzähl Lori und Damian alles.«
Peter sah uns mit zutiefst zerknirschter Miene an, stärkte sich noch einmal mit einem Schluck Brandy, umklammerte dann das Glas mit beiden Händen und legte los.
»Schuld an dem Ganzen ist meine verfluchte Neugier. Ich konnte einfach der Versuchung nicht widerstehen, die Legende von den schreienden Mönchen genauer zu untersuchen. Es ist ja bekannt, dass in jeder Legende ein wahrer Kern steckt. Also bin ich zur Ruine hochgegangen, um zu erforschen, ob sich der Lärm durch ein natürliches Phänomen erklären lässt, das die Menschen mit Schreien verwechselt haben.« Er hielt einen Moment inne und gönnte sich einen weiteren Schluck Brandy. »Ich war nur ein paar Minuten dort, als ich das grässlichste Heulen hörte, das man sich vorstellen kann. Mir ist es eiskalt den Rücken runtergelaufen. Vor allem weil die Schreie aus dem alten Gedenkstein zu kommen schienen. Es klang wirklich so, als ob Dutzende unglückliche Seelen um Erlösung flehen würden.«
Ich fröstelte und stärkte mich mit einem kräftigen Schluck Kakao.
»Trotzdem war mir klar, dass es eine rationale Erklärung für das Heulen geben muss«, fuhr Peter fort. »Also habe ich die Platte Zentimeter für Zentimeter untersucht, und was habe ich entdeckt?«
»Schnappschlösser«, erwiderte Damian lakonisch. »Elliot hat es uns gesagt. Wie viele hast du gefunden?«
»Zwei«, antwortete Peter. »Sie waren so angebracht, dass sie perfekt zu den Gravuren an den Rändern der Platte passten. Sie waren sogar so raffiniert getarnt, dass ich sie dreimal übersehen habe, bis ich dann endlich doch dahintergekommen bin. Aber was hätte ich dann anderes machen sollen, als sie einfach auszuprobieren?«
»Genau!«, rief Percy. »Was sonst? Erzähl ihnen, was als Nächstes geschehen ist.«
»Die Platte ist aufgesprungen. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Kaum hatte ich die Verschlüsse gelöst, als sich eine Seite der Platte eine Handbreit vom Boden hob. Ich hab dann die Kante gegenüber genauer untersucht und festgestellt, dass sie in Scharnieren verankert ist. Aber das Bemerkenswerteste an der Platte war ihr
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