Tante Inge haut ab
gehabt, er ist nicht der Mann, für den sein Leben damit vorbei ist. Ich hoffe, ich kann ihm ein bisschen dabei helfen, ich hätte durchaus Interesse, und auch er scheint nicht ganz abgeneigt.« Mit einem gezierten Lächeln beugte sie sich vor. »Das ist ja auch in Ihrem Sinne, meine Liebe, Ihr Vater ist noch zu jung und viel zu liebenswert, er wird mit der Entscheidung Ihrer Mutter über kurz oder lang klarkommen. Da bin ich mir sicher.«
Verständnislos harte Pia ihr zugehört. »Welche Entscheidung denn?«
»Na, Ihre Mutter verlässt doch Ihren Vater. Wegen eines anderen Mannes. Ich dachte, Sie wüssten Bescheid? Ich bin eng mit Inge befreundet, deshalb war ich involviert. Aber in den letzten Tagen hat mich das Verhalten Ihrer Mutter immer mehr geärgert. Das hatte keine Art. Da musste ich Stellung ziehen und habe mich zu Ihrem Vater bekannt. Wir sind uns sehr sympathisch ...«
Gespannt wartete sie auf Pias Reaktion. Es war alles möglich, Wut, Tränen, Eifersucht, Renate war auf alles gefasst.
Aber Pia lachte. Sie warf den Kopf zurück und lachte.
Übersprunghandlung, dachte Renate, durch den Schock. Mit ihrer sanftesten Stimme, einer Therapeutin gleich, sagte sie: »Das ist eine unerfreuliche Sache, ich weiß, aber alles Schlimme im Leben hat auch etwas Gutes.«
»Um Himmels willen!« Pia war kaum zu verstehen, so sehr bog sie sich vor Lachen. »Wie kommen Sie denn auf diesen Blödsinn?« Sie zitterte vor Gelächter. »Meine Mutter und ein anderer Mann? Hilfe, ich kriege Seitenstiche ... Und Sie und mein Vater ... ?« Sie schnappte nach Luft.
Renate wurde langsam ärgerlich. Jetzt redete hier endlich mal jemand Klartext, und das war der Dank. So ein albernes pubertierendes Gegacker. »Wenn Sie es verdrängen wollen, bitte. Aber warum, glauben Sie, war Ihre Mutter bei einem Anwalt? Und warum hat sie Sie herbestellt? Warten Sie mal ab, bis Sie die traurigen Augen Ihres Vaters sehen.«
Pia biss sich verzweifelt auf die Unterlippe und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht. »Ach, Frau von Graf ...«
»Renate.« Schließlich wusste Renate noch nicht, was aus ihr und Pias Vater noch wurde.
»Auch gut, Renate, vielleicht haben Sie ja irgendetwas missverstanden, mein Vater redet ja manchmal etwas kryptisch. Tatsache ist, dass meine Mutter hier auf Sylt ein Haus geerbt hat. Deswegen war sie beim Anwalt, wobei es irgendwelche Komplikationen gab. Mehr weiß ich auch noch nicht. Den Rest erzählt sie ja gleich. Aber es hat auf jeden Fall nichts mit meinem Vater zu tun. So, ich gehe jetzt rein und helfe meiner Tante, das Küchenchaos zu beseitigen. Wer hat da übrigens so brutal Gemüse geschnitten? Hm?«
Immer noch kichernd lief sie ins Haus. Renate holte tief Luft und überlegte, ob sie ihr noch etwas hinterher rufen sollte. Sie ließ es sein, denn sie war die Klügere. Diese eingebildete Pia würde das schon noch merken. Jetzt würde sie erst mal in dieses spießige kleine Bad gehen und sich die Nase pudern.
Als sie sich zehn Minuten später vor dem Spiegel gerade mit dem Konturenstift ihre Lippen nachzog, wurde es im Flur auf einmal laut.
»Charlotte!« Das war eindeutig die Stimme von Heinz. »Du bist ja wieder da! Das ist ja schön. Wann bist du denn zurückgekommen?«
»Vor einer Stunde. Pia hat mich angerufen und mir erzählt, was eigentlich los ist. Nachdem Inge sie endlich mal informiert hat.«
»Wieso? Was ist denn los?« Heinz sprach nun leiser, Renate musste ihr Ohr an die Tür drücken, um alles mitzubekommen. Zum Glück redete Charlotte lauter.
»Inge erzählt es gleich selbst, sie ist mit Johann und Christine auf dem Weg hierher. Ach übrigens, hat es eigentlich einen Grund, dass diese Renate jetzt hier lebt?«
»Ach, die ist immer noch hier?« Das war jetzt Kalli. »Siehst du, Walter, ich habe doch gleich gesagt, sie ist an dir interessiert. Wieso guckst du so, Charlotte? Das hat mit dir nichts zu tun. Renate hat uns ein bisschen beim Essenmachen geholfen, das ist doch nett. Und sie will sich um Walter kümmern, wenn der geschieden ist. Wenigstens glauben wir das.«
Zufrieden nickte Renate sich im Spiegel zu, bevor sie Charlottes Antwort hörte: »So ein Unsinn. Wieso sollte Walter sich scheiden lassen?«
»Na ja«, antwortete Heinz ausweichend, »Inge war auf Abwegen, wie man so schön sagt. Aber das dürfte jetzt erledigt sein. Walter hat das Problem gelöst. Aber das erzählen wir nachher in Ruhe. Es kommt übrigens noch ein Herr Martensen von der Kripo, der muss sich noch mal
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