Tante Inge haut ab
den Sturm« fabelhaft! Sie sind der Beste. Ach je, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt, Renate von Graf, ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen.«
Das Objekt ihres Begehrens hatte zuerst freundlich, dann unsicher und schließlich verwirrt geguckt. »Gnädige Frau, ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor, ich ...«
Renate ließ sich nicht beirren und trat noch näher an ihn he ran. »Und bevor ich es vergesse: Es tut mir leid, das mit Ihrer Frau, aber es ist bestimmt besser so ...«
In diesem Moment humpelte eine blonde Frau mit Krücken auf die beiden zu. Sie hatte Renates letzten Satz gehört und lächelte sie mühsam an. »Danke, aber es geht mir schon wieder viel besser. Es war ja ein glatter Bruch, zum Glück gab's keine Komplikationen. Nur der (ups ist natürlich blöd. Entschuldigung, aber ich weiß jetzt gar nicht, wer ...«
Renate starrte sie stumm an. Der Latin Lover streckte die Hand aus. »Günther Koller, Wurst- und Fleischproduktion Koller aus Bremen. Und das ist meine Frau Gisela. Ich fürchte, Sie haben mich verwechselt.«
»Glaube ich auch.« Renate winkte lässig ab. »Na ja, nichts für ungut. Und gute Besserung.«
Hoch erhobenen Hauptes kam sie zurück an den Tisch, wo Inge die Hand sofort runternahm, in deren Knöchel sie gebissen hatte.
»Wenn man dicht vor ihm steht, sieht er nicht so doli aus wie Fernando«, sagte Renate und griff zu ihrem Glas. »Nur aus der Ferne sieht er ihm ähnlich. Schade. Aber was sonst an Männern hier herumsitzt, ist nicht gerade aufregend. Lauter spießige Langeweiler. Und die Hälfte von ihnen könnten meine Söhne sein. Ich war vor Jahren schon mal hier, da hatte Kampen mehr Stil.«
Da warst du auch noch jünger, fügte Inge im Geist hinzu, und wahrscheinlich auch noch in Begleitung. Sie bemühte sich um einen geduldigen Ton.
»Ach, Renate, es verändert sich ja so viel in ein paar Jahren ... Aber um noch mal auf das Thema von vorhin zurückzukommen: Ich werde dir in den nächsten Tagen alles erzählen, aber weißt du, ich bin auch ein wenig abergläubisch. Und nachher wird da gar nichts draus. Ich verspreche dir, du wirst die Erste sein, die alles erfährt.«
Beleidigt nestelte Renate an ihrer weiten silbergrauen Bluse. »Das musst du selbst wissen. Ich hatte nur mehr Offenheit und Vertrauen erwartet, schließlich bin ich extra nach Sylt gefahren, um dir beizustehen. Gerade im Streit mit deiner Familie, die ganzen Auseinandersetzungen, ich weiß, wovon ich rede, Veränderungen werden nie akzeptiert. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube; anscheinend gehst du anders mit Freundinnen um, die es gut mit dir meinen.«
Für einen kurzen Moment war Inge versucht zu sagen, dass es ihr lieber gewesen wäre, wenn sie nicht alle Details über Renates Exmann und dessen neue Frau hätte erfahren müssen, aber sie verbot es sich. Renate war ihr wirklich eine große Hilfe, sie hatte nie enge Kontakte zu Frauen dieser Art und lernte wirklich viel. Versöhnlich legte sie ihre Hand auf Renates.
»Also gut. Pass auf, ich fahre übermorgen aufs Festland, abends bin ich wieder hier, dann werde ich dir alles berichten. Versprochen.«
»Was machst du denn auf dem Festland? Wo fährst du hin ? Allein?«
»Renate. Bitte. Ich erzähle es dir am Freitag.«
»Entschuldigen Sie bitte, sind hier noch zwei Plätze frei?«
Die beiden Herren, die plötzlich vor ihnen standen, waren Mitte sechzig, trugen Jeans, sportliche Hemden und hatten Pullover über den Schultern. Renate knipste ein strahlendes Lächeln an und wies auf die beiden freien Stühle.
»Mit Vergnügen, wir waren mit unseren Frauengesprächen sowieso gerade fertig.«
Inge war nicht so richtig begeistert gewesen. Die beiden Herren waren aus Düsseldorf, sie hatten auf der Insel Geschäfte zu erledigen, wohnten im »Miramar« in Westerland und mussten wenigstes einmal am Tag zu »Gösch«, um Scampi zu essen. Und dieses Reizklima wäre ja so prima. An dieser Stelle hatte Inge die Augen verdreht. Was für Angeber, hätte Walter jetzt erklärt und sich erst mal nach der Art der Geschäfte erkundigt. Inge hatte interessiert Renate beobachtet, deren
schlechte Laune verflogen schien und die nun ihren ganzen Charme aufbot. Aus Höflichkeit hatte Inge noch die Einladung zu einer weiteren Weinschorle angenommen, sich danach aber verabschiedet und war zu Fuß zurück zu Petras Pension gegangen. Renate hatte nicht protestiert, allerdings hatte Inge es noch viel schlimmer gefunden, dass keiner der
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