Tante Inge haut ab
beiden Herren angeboten hatte, sie zu begleiten. Richtige Flegel, hatte Inge beim Zähneputzen gedacht, flegelhafte Angeber.
Sie hatte sich inzwischen die Kleidung, die sie am nächsten Tag anziehen wollte, zurechtgelegt. Petra hatte ihr einen Tee hochgebracht, sie war wirklich rührend. »Ich muss morgen aufs Festland«, hatte sie zu ihr gesagt, »nach Niebüll. Es gibt noch eine Kleinigkeit, die ich für Frau Nissen klären muss, das soll ja alles seine Ordnung haben. Anschließend treffe ich dort noch einen alten Freund.«
Es war nicht ganz gelogen, Petra, gerade mal dreißig, würde den fast fünfzigjährigen Mark bestimmt als alt bezeichnen. Sie war auch gar nicht irritiert gewesen, hatte nur gefragt, ob sie sie zum Bahnhof fahren sollte, was Inge dankend abgelehnt hatte.
Sie sah hinunter auf die Straße. Es war jetzt kurz vor elf Uhr, beim Verabschieden am Abend zuvor hatte Renate angekündigt, sie käme am Vormittag vorbei.
Genau in diesem Moment fuhr ein dunkelblauer Porsche in die Auffahrt. Kurz bevor er richtig eingeparkt hatte, machte er einen kleinen Satz, der Fahrer hatte das gute Stück auf dem letzten Meter abgewürgt. Inge liebte solche Szenen. Schadenfroh schob sie die Gardine ein Stück zurück, um den Meisterfahrer erkennen zu können. Die Tür ging auf, und es entstieg -Renate. Sie trug eine sehr weite weiße Leinenhose, darüber eine orangerote Tunika, deren Farben sich im Haarband wiederholten, sie flatterte richtig im Wind. Mit schnellen Schritten lief sie auf die Haustür zu. Inge beschloss, ihr entgegenzugehen. »Guten Morgen, Inge«, Renate stand bereits im Flur, als Inge die Treppe herunterkam, »die Tür war offen, meine Liebe, pack ein Täschchen, wir fahren zum Strand.«
»Willst du eine Strandwanderung machen? Dafür muss ich doch nichts mitnehmen.«
Renate lachte. »Ich und wandern! Bist du verrückt? Nein, Horst und Peter, weißt du, meine neuen Bekannten von gestern Abend, ach wir hatten noch so viel Spaß, erzähle ich dir später, jedenfalls, die haben mir einen ganz heißen Tipp gegeben. Wir fahren in die Strandsauna nach List. Also, hol deine Sachen, Handtücher und Bademäntel kannst du dort leihen, nur Kosmetik, Wäsche und was zu lesen solltest du einpacken.«
»Ich weiß nicht...« Nervös kaute Inge auf ihrer Unterlippe. Sie war seit Jahren nicht mehr in der Sauna gewesen. Nicht mehr, seit die kleine Sauna bei ihnen um die Ecke geschlossen hatte. Sie war alle vierzehn Tage mit drei Freundinnen hingegangen. Immer mittwochs, Damensauna. Und nur im Winter.
»Was ist jetzt?« Renate sah sie ungeduldig an. »Ich wollte hier eigentlich nicht festwachsen.«
»Ist das eine gemischte Sauna?«
»Na hoffentlich«, antwortete Renate, »ich hasse diese Frauencliquen. Außerdem will ich was erleben. Und ich denke, du bist auf Sylt aufgewachsen? Du bist doch wohl nicht prüde!«
Inge kam sich selbst blöd vor. »Nein, nein, schon gut. Ich war nur so lange nicht mehr in der Sauna. Ich hole meine Sachen.«
Wenig später stieg Inge zum ersten Mal in ihrem Leben in einen Porsche. Nachdem sie vorsichtig die Tür hatte zufallen lassen, sah sie sich beeindruckt um. »Schöner Wagen. Ich wusste gar nicht, dass du so was besitzt.«
Renate rammte den Schlüssel ins Zündschloss und drehte ihn um. Der Wagen machte einen Satz und ging gleich wieder aus. Zum Glück hatte Renate nicht direkt vor der Mauer geparkt. Sie startete wieder und dachte diesmal ans Kuppeln.
»Das ist nicht meiner. Ich habe ihn für eine Woche geliehen.«
»Ach ja?« Inge strich ehrfürchtig über die blanke Konsole. »Wer verleiht denn so ein schönes Auto ?«
Renate warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. »Autoverleihfirmen. Wer sonst.«
»Ach so. Du musst das bezahlen.«
»Natürlich. Das kostet auch einiges, aber was soll's.«
Inge drehte sich um und musterte die Rückbank aus feinstem Leder. Mitten drauf stand eine riesige Strandtasche. Leopardenmuster.
»Und was kostet eine Woche?«
Renate bog ohne zu gucken auf die Straße. Ein Radfahrer, der im letzten Moment ausgewichen war, drohte ihnen mit der Faust und brüllte irgendetwas Unfreundliches.
»Das ist mir egal. Die Rechnung geht an meinen Exmann, bislang hat er meine Leihwagen immer bezahlt. Ich glaube, der merkt das gar nicht. Und ich kann ja wohl nicht mit einem Golf nach Sylt fahren.«
»Nein?«
»Ach Inge, du bist manchmal wirklich erstaunlich hausbacken.«
Sie fuhren schweigend am Ortsschild vorbei. Inges Blick fiel auf das Quermarkenfeuer
Weitere Kostenlose Bücher