Tante Inge haut ab
Leben verändern, das weißt du doch, schließlich hast du mich in Bad Oeynhausen ja darin sehr bestärkt.«
Renate hatte die junge Frau, die die beiden Gläser auf den Tisch stellte, keines Blickes gewürdigt. »Du hast mir von einem Treffen mit einem netten Herrn geschrieben. Und? Wie heißt er?«
Inge drehte sich zu der jungen Kellnerin um und rief ihr ein »Danke« hinterher, was von Renate ignoriert wurde.
»Also?«
»Was habe ich dir denn genau geschrieben?«
»Ach, Inge«, kopfschüttelnd griff Renate nach ihrem Glas, »dass du dich in einem Lokal an der Westerländer Promenade mit einem sehr netten Herrn getroffen hast und mir die Einzelheiten in Ruhe erzählen würdest. Hast du eine Kontaktanzeige aufgegeben? Oder ihn einfach angesprochen? Oder er dich?«
»Ahm, nein, ich meine, wir haben uns da einfach getroffen, eher zufällig.«
Sie war eine schlechte Lügnerin, aber Mark hatte ihr geraten, es im Moment noch geheim zu halten, da es ja doch die Möglichkeit gab, dass alles nicht so klappte, wie sie es sich vorstellte. Aber sie konnte ja wenigstens ein bisschen was verraten.
»Er heißt Mark. Und er trägt schöne bunte Hemden.«
Inge lächelte. Renate sah sie verständnislos an.
»Und?«
»Nichts und.« Inge nahm ihr Glas und probierte. War das Champagner? So richtig gut konnte sie es nicht unterscheiden. Vielleicht war es doch nur Sekt. »Es war ein nettes Essen. Und Mark ein sehr kultivierter und charmanter Mann.«
»Wohlhabend?«
Inge hob die Schultern. »Keine Ahnung, ich habe ihn nicht danach gefragt.«
Die junge Frau kam zurück und fragte nach weiteren Wünschen. Renate sah auf ihre Armbanduhr und verlangte die Rechnung. Den Betrag ließ sie auf ihr Zimmer schreiben. Beim Unterzeichnen erhaschte Inge einen Blick auf die Summe. Doch Champagner. Sie trank den Rest langsam aus. Schmeckte großartig.
»Leider muss ich los.« Renate stellte ihr Glas schwungvoll auf den Tisch. »Ich habe jetzt gleich einen Kosmetiktermin, den habe ich schon von zu Hause aus gebucht, man muss ja was für sich tun, nicht wahr? Danach gehe ich zum Friseur, und anschließend könnten wir ja was essen gehen. Ich habe an den >Rauchfang< am Strön-Wai gedacht.«
Sie meinte die bekannteste Straße in Kampen, ein Promi-Lokal neben dem anderen, Luxuskarossen und blasierte Gäste. Inge zuckte zusammen.
»Das ist ein ziemlich teures Restaurant, und ich habe mir gerade so ein ...«
»Ich bitte dich«, Renate winkte ab, »ich lade dich natürlich ein. Wir treffen uns da, gegen acht. Also, dann bis später.«
Sie warf ihren Schal lässig über die Schultern und ließ Inge einfach sitzen. Sie hatte nicht mal auf eine Antwort gewartet.
Zumindest war das Essen sehr gut gewesen. Ansonsten war Renate im Lauf des Abends zunehmend ungehaltener geworden, weil Inge trotz hartnäckigem Nachbohren immer noch nicht mit der Sprache herausrückte. Später fand sie das Publikum nicht passend. Sie hatte sich zu allen Seiten gedreht, ihre verspielte Hochsteckfrisur löste sich bereits auf und wurde nur noch von der Sonnenbrille gehalten, als sie plötzlich unvermittelt Inge auf den Arm schlug und aufgeregt wisperte: »Dreh dich jetzt nicht um, o Gott o Gott, da steht Fernando Porto! Den finde ich so umwerfend! Was für ein Mann, nicht umdrehen, Inge, er guckt gerade her. Mir wird ganz warm.«
»Wer ist Fernando Porto?« Inge hörte den Namen zum ersten Mal.
Renates Gesichtsfarbe wechselte von blass zu rot und wieder zurück.
»Du hast auch wirklich überhaupt keine Ahnung! Er hat letztes Jahr in >Gegen den Sturm< die Hauptrolle gespielt, diesen tollen südamerikanischen Winzer, der gegen die ganze Welt kämpft. Der sieht ja in echt noch besser aus als im Fernsehen. Ein richtiger Latin Lover.«
Auch diesen Begriff hatte Inge noch nie gehört. Sie drehte sich unauffällig um. An der Bar stand ein dunkelhaariger Mann in einem hellen Anzug. Er sah ganz normal aus.
»Der im hellen Anzug?«
Renate nickte verzückt. »Ist er nicht großartig?«
»Na ja, ich weiß nicht...«, Inge saugte am Strohhalm ihres alkoholfreien Cocktails, »wenn du meinst.«
Renate war im Begriff, aufzustehen. »Ich gehe jetzt zu ihm hin. In der >Bunten< habe ich gelesen, dass seine Frau ihn verlassen hat. Das ist jetzt die Gelegenheit.«
Mit entsetztem Blick sah Inge sie an. »Renate, du kannst doch nicht...!«
Aber Renate konnte. Mit schnellen Schritten ging sie auf ihn zu. »Herr Porto, was ich Ihnen schon immer sagen wollte: Ich fand Sie in >Gegen
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