Tante Julia und der Kunstschreiber
Gespräch. Wir gingen, den bekannten Kaffee im Bransa zu trinken, und dort faßte ich zusammen, was ich erfahren hatte, und zeigte ihm triumphierend meine Geburts urkunde.
»Ich habe darüber nachgedacht, und ich muß dir sagen, es ist eine Dummheit, daß du heiratest«, warf er mir gleich vor; ihm war nicht ganz wohl dabei. »Nicht nur, weil du ein junger Bengel bist, sondern vor allem wegen des Geldes. Du wirst dir die Seele aus dem Leib schuften und allen möglichen Scheißdreck machen müssen, nur um essen zu können.« »Das heißt, du willst mir genau das erzählen, was mir meine Mutter und mein Vater sagen werden«, spottete ich. »Daß ich, weil ich heirate, mein Jurastudium unterbrechen werde? Daß ich niemals ein guter Anwalt werden werde?« »Daß du, weil du heiratest, nicht einmal mehr Zeit haben wirst zum Lesen«, antwortete Javier. »Daß du, weil du heiratest, niemals ein Schriftsteller werden wirst.«
»Wir werden uns streiten, wenn du so weitermachst«, warnte ich ihn.
»Gut, dann beiß ich mir auf die Zunge«, lachte er. »Ich habe meinem Gewissen Genüge getan, indem ich dich über deine Zukunft aufgeklärt habe. Tatsache ist, ich würde, wenn Nancy nur wollte, heute noch heiraten. Wo fangen wir an?«
»Es ist ausgeschlossen, daß meine Eltern mir die Heirat erlauben oder mich für volljährig erklären, und es ist durchaus möglich, daß auch Julia nicht alle Papiere zusammenbekommt, die wir brauchen; also müssen wir einen wohlwollenden Bürgermeister finden; das ist der einzige Ausweg.« »Du willst sagen, einen bestechlichen Bürgermeister«, verbesserte er mich. Er prüfte mich wie einen Käfer: »Aber wen kannst du schon bestechen, du Hungerleider?« »Einen etwas zerstreuten Bürgermeister«, fuhr ich fort, »einen, dem man die Geschichte mit dem Onkel erzählen kann.« »Gut, machen wir uns auf die Suche nach solch einem ganz besonderen Schwachkopf, der in der Lage ist, dich allen bestehenden Gesetzen zum Trotz zu trauen.« Er lachte wieder auf. »Schade, daß Julia geschieden ist. Du hättest dich kirchlich trauen lassen können. Das wäre einfach, bei den Priestern gibt es viele käufliche Trottel.«
Javier brachte mich immer in gute Stimmung, und schließlich machten wir Witze über meine Flitterwochen, über die Belohnung, die er von mir verlangen würde (natürlich müßte ich ihm dabei helfen, Nancy zu entführen), und wir beklagten, nicht in Piura zu leben, wo es, da die Flucht von Liebespaaren dort eine verbreitete Sitte war, kein Problem gewesen wäre, einen Bürgermeister zu finden. Als wir uns verabschiedeten, hatte er sich verpflichtet, noch an diesem Nachmittag mit der Suche nach dem Bürgermeister zu beginnen und alle seine entbehrliche Habe zu versetzen, um die Hochzeit auszurichten. Tante Julia sollte um drei Uhr vorbei kommen, und da sie um halb vier noch nicht da war, wurde ich unruhig. Um vier Uhr verhedderten sich meine Finger auf der Schreibmaschine, und ich rauchte eine Zigarette nach der anderen. Um halb fünf fragte der Große Pablito, ob ich mich elend fühle, ich sei so blaß. Um fünf Uhr ließ ich Pascual bei Onkel Lucho anrufen und nach ihr fragen. Sie war noch nicht da. Auch eine halbe Stunde später war sie noch nicht da. Auch nicht um sechs und nicht um sieben. Nach den letzten Nachrichten fuhr ich, statt in der Straße der Großeltern auszusteigen, mit dem Colectivo bis zur Avenida Armendâriz und trieb mich um das Haus meines Onkels herum und wagte nicht zu läuten. Durch die Fenster sah ich Tante Olga das Wasser einer Blumenvase wechseln und etwas später Onkel Lucho, der das Licht im Eßzimmer ausmachte. Ich ging mehrmals um den Häuserblock herum, von widerstreitenden Gefühlen besessen, Unruhe, Zorn, Trauer, dem Wunsch, Tante Julia zu ohrfeigen und zu küssen. Ich beendete gerade eine dieser erregten Runden, als ich sie aus einem luxuriösen Wagen mit diplomatischem Kennzeichen steigen sah. In Riesenschritten ging ich auf sie zu und fühlte, wie Eifersucht und Zorn mir die Beine zittrig machten. Ich war entschlossen, meinen Rivalen zu verprügeln, wer auch immer er sei. Es handelte sich um einen weißhaarigen Herrn, und im Innern des Wagens saß noch eine Dame. Tante Julia stellte mich als den Neffen eines Schwagers vor und ihn als den Botschafter von Bolivien. Ich kam mir lächerlich vor, und gleichzeitig war mir ein Stein vom Herzen gefallen. Als das Auto abgefahren war, nahm ich Tante Julias Arm und zerrte sie beinahe über die Avenida; wir
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