Tante Julia und der Kunstschreiber
Er bestand die Prüfungen mit einem solchen Glanz, daß denen, die er von nun an (voller Stolz) Kollegen nennen konnte, schwindelig wurde. Das Erscheinen von Joaquïn Hinostroza Bellmont – schwarzes, weiß abgesetztes Trikot, grüner Schirm über der Stirn, silberne Trillerpfeife im Mund – im Nationalstadion von José Dïaz setzte einen Meilenstein im nationalen Fußball sport. Ein erfahrener Sportberichterstatter drückte es so aus: »Mit ihm zogen unbeugsame Gerechtigkeit und künstlerische Inspiration auf das Fußballfeld.« Seine Korrektheit, seine Unparteilichkeit, die Geschwindigkeit, mit der er Fouls entdeckte, und sein Feingefühl bei den Verwarnungen, seine Autorität (wenn die Spieler mit ihm sprachen, schlugen sie stets die Augen nieder und nannten ihn Don) und seine Kondition, die es ihm erlaubte, die neunzig Minuten des Spiels ununterbrochen zu laufen und nie weiter als zehn Meter vom Ball entfernt zu sein, machten ihn rasch berühmt. Er war, wie es in einer Rede hieß, der einzige Schiedsrichter, dem die Spieler niemals widersprachen und der nie von den Zuschauern angegriffen wurde, und der einzige, dem nach jedem Spiel Ovationen von den Tribünen gebracht wurden.
Kamen solche Talente und Kräfte nur aus einem über ragen den Berufsethos? Auch. Aber der tiefere Grund, daß Joaquïn Hinostroza Bellmont versuchte, mit seiner Schieds rich termagie – Geheimnisse des jungen Mannes, der in Europa triumphiert und doch verbittert ist, weil er sich eigentlich nur den Beifall seines kleinen Andenlandes wünscht – Marimacho zu beeindrucken. Sie sahen sich weiter hin fast täglich, und der zweideutige Klatsch des Volkes hielt sie für Geliebte. Tatsächlich hatte der Schieds richter trotz seiner im Lauf der Jahre unveränderten Beharr lichkeit den Widerstand von Sarita nicht überwinden können.
Eines Tages, nachdem sie ihn vom Boden einer Kneipe in Callao aufgelesen und in die Pension im Zentrum gebracht hatte, wo er lebte, ihm das Erbrochene und die Sägespäne abgewischt und ihn ins Bett gebracht hatte, erzählte sie ihm das Geheimnis ihres Lebens. Joaquïn Hinostroza Bellmont erfuhr – Leichenblässe des Mannes, der vom Vampir geküßt wurde –, daß es in der frühen Jugend dieses Mädchens eine verfluchte Liebe und ein eheliches Erdbeben gegeben hatte. Zwischen Sarita und ihrem Bruder (Richard?) war nämlich eine tragische Liebe aufgebrochen, die – Feuerkaskaden, Giftregen über die Mensch heit – zu einer Schwangerschaft geführt hatte. Nach dem sie klugerweise einen Galan, den sie früher immer abgewiesen, geheiratet hatte (den Rothaarigen Antûnez? Luis Abril Marroquin?), damit das Kind des Inzests einen makellosen Namen bekäme, hatte der junge und glückliche Ehemann jedoch – Pferdefuß des Teufels, der heimlich in die Kuchenschüssel stopft, – die Täuschung rechtzeitig bemerkt und die Betrügerin verstoßen, die ihm ein fremdes Balg als Kind unterschmuggeln wollte. Gezwungen abzutreiben, floh Sarita aus ihrer stolzen Familie, aus ihrem guten Wohnviertel, von ihrem wohlklingenden Namen. Als Landstreicherin nahm sie in den Halden zwischen Bellavista und La Perla die Persönlichkeit und den Namen von Marimacho an. Damals hatte sie geschworen, sich nie wieder einem Manne hinzugeben und, was alle praktischen Dinge anging (außer, ach, die Spermatozoen?), wie ein Mann zu leben. Diese Tragödie von Sarita Huanca Salaverria voller Gotteslästerung, Tabuübertretungen, Fußtritten gegen die bürgerliche Moral und die religiösen Gebote, brachte die Liebes leidenschaft von Joaquïn Hinostroza Bellmont nicht zum Erlöschen; sie verstärkte sie. Der Mann von La Perla hatte sogar die Idee, Marimacho von ihren Traumata zu kurieren und sie mit der Gesellschaft und mit den Männern wieder auszusöhnen; er wollte aus ihr wieder eine weibliche und kokette, schelmische und witzige Dame aus Lima machen (wie die Perricholi?). Im gleichen Maße, wie sein Ruhm wuchs und er als Schiedsrichter bei internationalen Spielen in Lima und im Ausland gefragt war und Angebote für Mexico, Brasilien, Kolumbien und Venezuela erhielt, die er – Patriotismus des Weisen, der auf die Computer von New York verzichtet, um weiter mit den tuberkulösen Meerschweinchen von San Fernando zu experimentieren – immer ablehnte, wurde sein Sturm auf das Herz der Inzestuösen immer hartnäckiger.
Und es schien ihm, als bemerke er einige Zeichen – Rauch der Apachen auf den Hügeln, Tam-Tam im afrikani schen Busch – dafür, daß
Weitere Kostenlose Bücher