Tante Julia und der Kunstschreiber
Windes, wenn er auf das Wellblech prallte und durch die Drähte im Hafen fuhr. Eine Katze ist hinter einer Ratte her und stößt eine Kiste runter, diese eine andere, und schon haben wir die Lawine. Die arme Katze würde jetzt zusammen mit der Ratte zerquetscht unter einem Berg von Ballen und Fässern liegen. Er war schon im Bezirk von Choclo Roman. Aber Choclo war natürlich nicht da. Lituma wußte genau, daß er am anderen Ende seines Bezirks war, im Happy Land oder im Blue Star oder irgendeiner anderen kleinen Bar oder in einem der Seemannspuffs, die sich am Ende der Avenida drängten, in jener kleinen Gasse, die die spitzzüngigen Callaoer »Trippergasse« nannten. Genau da würde er sein, an einer dieser geborstenen Theken, und ein Bierchen hinunter gurgeln. Und während er auf diese Spelunken zuging, dachte Lituma an das erschrockene Gesicht, das Roman machen würde, wenn er plötzlich hinter ihm auftauchen würde: »Aha, alkoholische Getränke im Dienst. Du hast verschissen, Choclo.«
Er war etwa zweihundert Meter gegangen und blieb plötzlich stehen. Er drehte den Kopf: dort im Schatten lag jetzt still das Lagerhaus, eine seiner Wände war vom schwachen Schein einer Laterne beleuchtet, die auf wunderbare Weise den Geschossen der Straßenjungen entgangen war. Das ist keine Katze, dachte er, auch keine Ratte. Das ist ein Dieb. Sein Herz begann heftig zu schlagen, und er spürte, wie Stirn und Hände ihm feucht wurden. Es war ein Dieb, ein Dieb. Er blieb ein paar Sekunden regungslos stehen, aber er wußte, daß er zurückgehen würde. Er war ganz sicher. Er hatte diese Erregung schon oft gespürt. Er zog die Pistole aus dem Halfter, entsicherte sie und nahm die Taschenlampe in die linke Hand. Mit großen Schritten kehrte er um und fühlte, wie ihm das Herz bis in den Hals hinauf schlug. Ja, ganz bestimmt war da ein Dieb. Auf der Höhe des Lagerhauses blieb er wieder stehen und keuchte. Und wenn es nicht einer war, sondern mehrere? War es nicht besser, Chato oder Choclo zu holen? Er schüttelte den Kopf. Er brauchte niemanden; er war mehr als genug. Wenn es mehrere waren, um so schlimmer für sie und um so besser für ihn. Er horchte, das Gesicht an das Holz gedrückt: absolute Stille. Er hörte nur in der Ferne das Meer und das eine oder andere Auto. Kein Dieb, alles Unfug, Lituma, dachte er. Du träumst, das war eine Katze, eine Ratte. Die Kälte war ihm vergangen, er fühlte sich heiß und müde. Er ging um das Lagerhaus herum und suchte die Tür. Als er sie fand, stellte er im Licht seiner Taschenlampe fest, daß das Schloß unverletzt war. Gerade wollte er zu sich selbst sagen: »Gefoppt, Lituma, dein Spürsinn ist auch nicht mehr, was er einmal war«, als bei einer mechanischen Bewegung seiner Hand die gelbe Scheibe der Taschenlampe auf die Öffnung fiel. Sie war nur ein paar Meter von der Tür entfernt. Man war gewaltsam vorgegangen, das Holz war mit Axtschlägen oder Fußtritten zertrümmert worden. Die Öffnung war so groß, daß ein Mann hindurchkriechen konnte.
Er spürte sein Herz aufgeregt, verrückt, wie wild schlagen, löschte die Taschenlampe, prüfte, ob seine Pistole entsichert war, und sah sich um. Nichts als Schatten und in der Ferne wie Streichholzlichter die Laternen der Avenida Huascar. Er füllte seine Lungen mit Luft und brüllte mit aller Kraft, die er aufbringen konnte:
»Umstellen Sie das Lagerhaus mit Ihren Männern, Herr Hauptmann. Wenn einer versucht zu fliehen, Feuer frei. Tempo, Tempo, Jungs!«
Und damit es glaubhafter klänge, rannte er von einer Seite zur anderen und stampfte dabei fest auf. Dann legte er das Gesicht an die Holzwand des Lagerhauses und schrie mit kehliger Stimme: »Ihr habt verschissen, das ist schiefgegangen. Ihr seid umstellt! Los, kommt raus, wo ihr reingegangen seid, einer nach dem anderen. Ich gebe euch dreißig Sekunden Zeit!« Er hörte das Echo seiner Rufe, das sich in der Nacht verlor, dann das Meer und das Gebell einiger Hunde. Er zählte nicht dreißig, sondern sechzig Sekunden, dachte, du machst dich lächerlich, Lituma, und wurde zornig. Er schrie: »Macht die Augen auf, Jungs! Und brennt ihnen sofort eins drauf!«
Entschlossen ließ er sich auf alle viere nieder und kroch trotz seiner Jahre und trotz seines Uniformmantels behende durch die Öffnung. Drinnen richtete er sich rasch auf und lief auf Zehenspitzen auf eine andere Seite, den Rücken dicht an der Wand. Er sah nichts und wollte die Taschenlampe nicht benutzen. Er hörte keinen Laut,
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