Tante Julia und der Kunstschreiber
eine Coca-Cola, aber er bestand darauf, daß ich einen Whisky mit ihm trank.
»Begreifst du, was diese Schlangen bedeuten?« begann er zu erklären. »Sie sind eine öffentliche Demonstration dafür, daß die Hörspiele von Pedro Camacho beim Volk ankommen.«
Ich sagte, ich hätte daran keinerlei Zweifel, und er brachte mich zum Erröten, als er mir riet, ich solle, da ich doch »literarische Neigungen« hätte, dem Beispiel des Bolivianers folgen und die Mittel erlernen, mit denen er die Masse eroberte. »Du solltest dich nicht in deinem Elfenbeinturm verschließen«, riet er mir. Er hatte 5 ooo Fotos von Pedro Camacho drucken lassen, und ab Montag sollten die Autogrammjäger sie als Geschenk erhalten. Ich fragte, ob der Schreiber seine Ausfälle gegen die Argentinier gemildert habe.
»Das ist nicht mehr wichtig, jetzt kann er gegen jeden wettern, den er will«, sagte er geheimnisvoll. »Kennst du die große Neuigkeit noch nicht? Der General läßt keine Folge von Pedros Serien aus.«
Er erzählte mir Einzelheiten, um mich davon zu überzeugen. Der General lasse sie sich aufnehmen, da ihm die Geschäfte der Regierung tagsüber keine Zeit dazu ließen, sie anzuhören, und lasse sie jede Nacht, eine nach der anderen, abspielen, bevor er schlafen ging. Die Frau des Präsidenten habe es vielen Damen aus Lima persönlich erzählt.
»Der General scheint ein feinfühliger Mann zu sein, was man auch sagen mag«, schloß Genaro jun. »Das heißt also, wenn der Höchste auf unserer Seite ist, macht es nichts, wenn Pedro so gern gegen die Ches wettert. Geschieht ihnen doch recht, oder?«
Das Gespräch mit Genaro jun., die Versöhnung mit Tante Julia, irgendetwas hatte mich sehr angeregt, und ich kehrte in meinen Dachverschlag zurück und schrieb mit Schwung meine Erzählung von den schwebenden Knaben, während Pascual die Nachrichten aufbereitete. Ich hatte auch schon das Ende: bei einem dieser Spiele hob sich einer der Straßenjungen höher als die anderen, fiel mit voller Wucht zurück, brach sich das Genick und starb. Der letzte Satz sollte die erschrockenen Gesichter seiner Gefährten zeigen, die ihn unter Flugzeuggedonner betrachteten. Es würde eine spartanische Erzählung werden, präzise wie ein Chronometer, im Stile Hemingways. Ein paar Tage später ging ich zu meiner Cousine Nancy, um herauszubekommen, wie sie die Geschichte mit Tante Julia aufgenommen hatte. Ich fand sie noch unter dem Eindruck der Operation Mantilla:
»Kannst du dir die Blamage vorstellen, die ich wegen dieses Idioten erleiden mußte?« sagte sie, während sie auf der Suche nach Lasky durch das ganze Haus rannte. »Plötzlich, mitten in den Rängen der Plaza de Acho, öffnete er ein Paket, holte ein Torero-Cape heraus und legte es mir um. Alle guckten mich an, sogar der Stier hat sich halb tot gelacht. Er zwang mich, das Cape während des ganzen Stierkampfes umzubehalten. Und ich sollte mit diesem Ding auf die Straße. Stell dir das vor. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so entsetzlich geschämt!“ Wir fanden Lasky unter dem Bett des Majordomus – es war nicht nur ein sehr haariger und häßlicher Hund, sondern noch dazu einer, der mich ständig beißen wollte –, brachten ihn in seinen Zwinger, und Nancy schleppte mich in ihr Zimmer, damit ich das Corpus delicti besähe. Es war ein modernistisches Stück und ließ an exotische Gärten, Zigeunerzelte und Luxusbordelle denken. Es war voller Pailletten und barg in seinen Falten alle Rotschattierungen, angefangen von Blutrot bis zum Rosa der Abendröte, hatte geknotete lange schwarze Fransen, und sein Edelstein- und Flitterbesatz glitzerte so stark, daß einem übel wurde. Meine Cousine machte Torero-Schritte, hüllte sich in das Cape und lachte schallend. Ich sagte, ich erlaube ihr nicht, sich über meinen Freund lustig zu machen, und fragte sie, ob sie ihn nun endlich erhöre.
»Ich denke darüber nach«, erwiderte sie wie immer. »Aber als Freund gefällt er mir sehr.«
Ich nannte sie eine herzlose Kokotte und erzählte, daß Javier sogar gestohlen habe, um ihr dieses Geschenk zu machen. »Und du?« sagte sie, faltete die Mantilla zusammen und legte sie in den Kleiderschrank. »Stimmt es, daß du mit Tante Julia gehst? Schämst du dich nicht? Mit Tante Olgas Schwester?« Ich sagte, daß es stimme und daß ich mich nicht schämte, und spürte, wie mein Gesicht brannte. Sie wurde auch ein bißchen verlegen, aber ihre miraflorinische Neugier war stärker, und sie schoß ins
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