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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Weste herab, er legte seinen Hut auf den Schreibtisch, gab seine Attitüde auf und lächelte. Dieses Lächeln war so blöde, daß es die Baronin falsch auffaßte. Sie las Güte daraus. Darum fuhr sie fort:
    »Sie haben eine Frau vor sich, die in Verzweiflung und am Ende ihrer Ehrbarkeit ist, bereit zu allem, mein Lieber, um ein Verbrechen zu verhüten.«
    Aus Furcht, es könne jemand hinzukommen, stand sie auf und verschloß die Tür. Die nämliche Erregung brachte sie dazu, Crevel zu Füßen zu fallen, seine Hand zu ergreifen und sie zu küssen.
    »Seien Sie mein Retter!« rief sie aus.
    Ihr Wahn, Großherzigkeit in einer Krämerseele zu finden, ließ plötzlich die Hoffnung in ihr aufleuchten, sie könne die zweihunderttausend Francs erhalten, ohne sie mit ihrer Ehre zu bezahlen. »Sie wollten damals meine Tugend kaufen – kaufen Sie jetzt meine Seele!« Ihre Blicke irrten. »Trauen Sie meiner Ehrlichkeit und Ehrliebe! Seien Sie mein Freund! Retten Sie eine ganze Familie vor dem Ruin, der Schande, der Verzweiflung! Hindern Sie, daß sie in einen Sumpf versinkt, der obendrein von Blut gerötet wird! Aber verlangen Sie keine nähere Erklärung!« Das fügte sie hinzu, als Crevel eine Geste machte, als wolle er etwas sagen. »Und werfen Sie mir vor allem nicht vor, Sie hätten mir das vorausgesagt! Das tun die lieben Freunde, die insgeheim ihre Freude am Unglück haben. Schauen Sie her! Gehorchen Sie einer Frau, die Sie geliebt haben, die gedemütigt vor Ihren Füßen liegt! Verlangen Sie nichts von ihr und erwarten Sie alles von ihrer Dankbarkeit! Nein, geben Sie nichts! Leihen Sie es mir, die Sie einmal Ihre Adeline genannt haben!«
    Vor Tränen vermochte sie nicht weiterzusprechen;
    Bei der Erwähnung der zweihunderttausend Francs verstand Crevel alles. Er hob die Baronin galant auf und sagte zu ihr:
    »Na, nun aber ruhig, Frauchen!«
    Adeline überhörte diese unverschämten Worte in ihrer Aufregung. Die Szene wandelte sich. Crevel glaubte, Herr der Situation geworden zu sein. Aber die große Höhe der geforderten Summe beeinflußte ihn dermaßen, daß sich seine Erregung über den Fußfall einer schönen weinenden Frau verlor. Wirklich bitterliches Weinen entstellt selbst schöne Frauen. Bis zur geröteten Nase lassen es daher kluge Frauen niemals kommen.
    »Mein Kindchen, vor allem Ruhe! Sapristi!« gebot Crevel. indem er der Baronin Hände erfaßte und sie streichelte. »Warum wollen Sie zweihunderttausend Francs von mir? Was wollen Sie damit machen? Für wen sind sie?«
    »Verlangen Sie keine Erklärung von mir! Geben Sie sie mir! Sie retten damit drei Menschen und Ihren Kindern die Ehre!«
    »Glauben Sie wirklich, liebes Frauchen, daß Sie in Paris jemanden finden werden, der Ihnen bloß auf Ihre schönen Augen hin die zweihunderttausend Francs bar und auf der Stelle geschleppt bringt? Da kennen Sie das Leben und das Geschäftemachen schlecht, meine Verehrteste! Da müßten Wunder geschehen ...«
    »Mein lieber guter Crevel, es handelt sich um das Leben zweier Menschen, von denen einer sich selber töten und der andere aus Kummer zugrunde gehen wird. Und auch um mich handelt es sich schließlich. Ich würde wahnsinnig werden. Vielleicht bin ich es bereits ...«
    »Bleibe vernünftig, mein Engel!« unterbrach sie Crevel, indem er sie umfaßte.
    Sie ließ es geschehen und verbarg ihr Gesicht mit den Händen.
    »Sie haben mir damals ein Vermögen angeboten«, flüsterte sie errötend.
    »Ja, liebes Frauchen, das war vor drei Jahren!« meinte Crevel. »Na ja, Sie sind schöner denn je!«
    Er nahm den Arm Adelines und drückte ihn an sein Herz. »Sie haben ein treffliches Gedächtnis, Kindchen. Sapristi! Sehen Sie, wie unrecht es war, die Spröde zu spielen! Die dreihunderttausend Francs, die Sie so großartig zurückgewiesen haben, sind nun in der Tasche einer andern versunken. Ich liebte Sie und ich liebe Sie noch! Aber versetzen wir uns einmal drei Jahre zurück! Was wollte ich damals, als ich Ihnen sagte: »Sie gehören mir!« Ich wollte mich an dem schuftigen Hulot rächen! Inzwischen aber, Verehrteste, hat Ihr Mann in der wundervollsten aller Frauen eine Geliebte gefunden, einen Engel und Teufel zugleich. Sie ist heute sechsundzwanzig Jahre alt. Ich habe es für lustiger und sinnvoller gehalten, für härter, für mehr im Stil des Ancien regime, ihm diesen entzückenden Balg wegzuschnappen. Übrigens hat das herrliche Weib Ihren Mann niemals wirklich geliebt, um so toller aber Ihren gehorsamsten

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