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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bieten, das ist Nebensache! Dein Tisch wird hier täglich gedeckt sein. Das schönste Zimmer im zweiten Stock sollst du bekommen und monatlich hundert Taler Taschengeld!«
    Von dieser Gastfreundschaft gerührt, bekam Hulot gleichwohl eine letzte Anwandlung von Ehrliebe.
    »Nein, nein, mein Kind, ich bin nicht zu dir gekommen, um mich von dir aushalten zu lassen!«
    »Großartig gesagt – bei deinem Alter!«
    »Soll ich dir sagen, was ich will? Höre mich an, Kindchen! Dein Herzog hat in der Normandie riesige Besitzungen. Ich möchte bei ihm Gutsverwalter unter dem Namen »Thoul« werden. Die dazu nötige Fähigkeit und Redlichkeit habe ich. Wenn man auch dem Staate etwas abgeluchst hat, deswegen greift man noch lange nicht in fremder Leute Geldbeutel...«
    »Na, na«, spottete Josepha, »der Katze gewöhnt man das Mausen nicht ab!«
    »Mit einem Worte, ich will weiter nichts, als drei Jahre lang mein Dasein im verborgenen fristen.«
    »Das kannst du leicht haben. Ich brauche es ihm bloß heute abend nach Tisch zu sagen. Der Herzog würde mich heiraten, wenn ich ihn darum bäte. Aber sein Geld habe ich auch so. Ich will mehr: seine Achtung! Er ist wirklich ein Fürst vom Scheitel bis zur Sohle, ein Edelmann im Stile Ludwigs des Fünfzehnten, wenn er auch körperlich ein Knirps ist... Aber ich will dir etwas sagen, alter Knabe. Ich kenne doch meine Pappenheimer. Du bist ein Weibernarr! Du würdest schön hinter den kleinen Normanninnen her sein! Das sind famose Mädels. Aber ihre Väter und Burschen würden dir bald die Knochen entzweischlagen, und der Herzog jagte dich zum Hofe hinaus. Ich sehe schon an der Art und Weise, wie du mich anguckst, daß du noch immer dumme Gedanken im Kopfe hast. Zum Verwalter taugst du nicht. Und so leicht ist es auch nicht, sich Paris abzugewöhnen. Paris und alles, was so drum und dtan hängt. Du würdest in der Normandie vor Langerweile umkommen.«
    »Was soll aber aus mir werden?« fragte Hulot. »Ich will nur so lange hier bei dir bleiben, bis ich mir darüber klar bin.«
    »Sag einmal: soll ich dich nach einer Idee von mir unterbringen? So höre mich an, alter Schwerenöter! Die Weiber sind dein Element. Die helfen dir über alles hinweg. Gib acht! Da draußen in der Rue Saint-Maur-du-Temple kenne ich eine arme Familie, die einen Schatz besitzt: ein Mädel, hübscher als ich mit sechzehn Jahren war! Ein süßes, kleines Herzchen. Siehst du, wie deine Augen lüstern werden! Das Dingelchen arbeitet von früh bis abends. Sie ist Stickerin für ein großes Modegeschäft und verdient acht Groschen den Tag. Ein Elend! Selbständig machen kann sie sich nicht, dazu fehlen ihr die nötigen sieben- bis achttausend Francs. Für diese Summe beginge sie wer weiß was! Sagst du nicht, deine Familie und deine Frau langweilten dich? Ja, man ist nicht gerne Knecht, wo man Herr war. Ein Familienoberhaupt ohne Geld und ohne Achtung kann sich ausstopfen und in den Glasschrank setzen lassen ...«
    Der Baron konnte nicht umhin, über den bösen Witz zu lächeln.
    »Kurz und gut«, fuhr die Sängerin fort, »Fräulein Bijou bringt mir morgen einen entzückenden gestickten Morgenrock, in dem ein halbes Jahr Arbeit steckt. In ganz Paris gibt es so etwas nicht wieder. Das Mädel liebt mich zärtlich. Ich schenke ihr Schokolade und meine alten Kleider. Der Familie schicke ich hin und wieder Gutscheine auf Brot, Holz und Fleisch. Man würde für mich durchs Feuer gehen, wenn ich es verlangte. So versuche ich, ein wenig Gutes zu tun. Ach, ich habe es nicht vergessen, was ich gelitten, als ich hungern mußte. Die kleine Bijou hat mir ihre kleinen Geheimnisse anvertraut. Ihr Lebensideal ist, so schöne Kleider zu tragen wie ich und ganz besonders einen so hübschen Wagen zu haben. Ich werde sie einmal fragen: ›Kindchen, willst du von einem alten Herrn von ...‹ Wie alt bist du eigentlich?« unterbrach sie sich selber. »War es nicht zweiundsiebzig?«
    »Wie alt ich bin?« meinte Hulot. »Was heißt alt!«
    »Ich werde sie also fragen: ›Magst du einen alten Herrn von zweiundsiebzig Jahren, der tipptopp aussieht, gesund ist wie ein Fisch im Wasser und es mit jedem jungen Manne noch aufnimmt? Er will gemütlich bei euch wohnen und gibt euch dafür siebentausend Francs. Er wird euch eure Wohnung ganz in Mahagoni einrichten, und wenn du hübsch artig bist, dann führt er dich manchmal ins Theater und gibt dir im Monat hundertfünfzig Francs Taschengeld.‹ Ich kenne die Kleine. Sie ist ganz so, wie ich mit

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