Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
der alte Lebemann zur Antwort. Er stand auf und rieb sich vergnügt die Hände.
    Als Olympia wieder fort war, sah ihn Josepha verschmitzt an.
    »Alterchen! Wenn du dein Idyll nicht gestört haben willst, so sei streng wie ein Staatsanwalt mit ihr! Halte sie an der Kandare! Und sei wachsam! Wenn das Dingelchen erst einmal anständig angezogen und ein bißchen herausgefüttert ist, dann wird sie wie eine kleine Prinzessin einherstolzieren. Die Einrichtung deiner neuen Wohnung werde ich in die Hand nehmen. Der Herzog hat sich nicht lumpen lassen; er leiht, das heißt: er schenkt dir die zehntausend Francs und hinterlegt bei seinem Notar achttausend Francs mit der Bestimmung, dir vierteljährlich sechshundert Francs auszuzahlen. Es ist am besten so, denn du bist ein Leichtfuß. Ich trau dir nicht über den Weg. Sag, bin ich nicht nett?«
    »Himmlisch!«
    Seit vierzehn Tagen war Hulot für seine Angehörigen verschwunden. Betrübt stand die Familie am Bett der schwerkranken Adeline, die immer wieder mit schwacher Stimme fragte: »Wo ist er?« Inzwischen hatte der Baron unter der Firma Thoul & Bijou ein Stickereigeschäft in der Rue Saint-Maur eröffnet.
    Das Unglück, das die Familie so hartnäckig bedrängte, hatte auch sein Gutes. Es festigte Viktor von Hulot; es brachte ihn zur letzten Entwicklung, zur Reife. Er machte es wie ein Luftschiffer und warf Ballast über Bord, um hoch zu kommen. Er legte seinen geistigen Hochmut, sein äußerliches Selbstbewußtsein, seinen Abgeordnetendünkel und seine politische Eingebildetheit ab. Er bemühte sich, als Mann zu sein, was seine Mutter als Frau war. Wenn Cölestine sein Ideal auch nicht war, so begann er doch, sich in sie hineinzufinden. Er wurde gütig und nachsichtig. Indem er einsah, daß sich der wahrhaft überlegene Mensch in seinen Forderungen an die Mitmenschen und das Leben immer wieder mit dem »Ungefähr« begnügen muß, gesundete seine Art, die Menschen zu beurteilen. Damit zugleich gelobte er sich, seine eigenen Pflichten streng zu erfüllen. Die Handlungsweise seines Vaters hatte ihn durch und durch gerüttelt. Am Krankenlager seiner Mutter gewann diese Umwandlung ihren Halt.
    Dieses erste Glück blieb nicht das einzige. Der Fürst von Weißenburg, der sich durch Claude Vignon täglich über das Befinden der Baronin Bericht erstatten ließ, bat den – inzwischen von neuem gewählten – Abgeordneten eines Tages zu sich. Viktor und der Kriegsminister kannten sich bereits seit langem persönlich. Der Fürst empfing den jungen Hulot mit verheißungsvoller Leutseligkeit.
    »Mein Freund«, begann der alte Soldat, »in diesem Zimmer habe ich Ihrem verehrten Onkel, dem Marschall, beim Abschiednehmen versprochen, für Ihre Frau Mutter Sorge zu tragen. Man hat mir gemeldet, daß die anbetungswürdige Dame der Genesung entgegengeht. Somit ist der Augenblick gekommen, sie wieder aufzurichten. Ich habe hier zweihunderttausend Francs für sie, die ich Ihnen einhändige.«
    Der Anwalt machte eine abwehrende Bewegung, an der sein Onkel Freude gehabt hätte.
    »Seien Sie beruhigt!« sagte der Fürst gütig. »Es ist Familieneigentum. Nehmen Sie die Summe! Meine Tage sind gezählt, und es könnte eines Tages zu spät für mich sein. Benutzen Sie die Summe, die Hypotheken abzustoßen, die Ihr Haus belasten. Die zweihunderttausend Francs gehören Ihrer Frau Mutter und Ihrer Schwester. Wenn ich sie der Baronin von Hulot unmittelbar übergeben würde, müßte ich befürchten, das Geld ginge durch ihren Edelmut verloren. Es ist aber die Absicht dessen, der mich zu der Rückgabe bevollmächtigt, der Baronin und ihrer Tochter, der Gräfin Steinbock, das tägliche Brot zu sichern. Sie sind ein umsichtiger Mann, der würdige Neffe meines teuren Freundes. Man schätzt Sie allgemein. Mein lieber Freund, ich verlange von Ihnen, seien Sie von diesem Tag an der Schutzherr Ihrer Familie und nehmen Sie hiermit das Vermächtnis Ihres Onkels an!«
    »Durchlaucht wissen, daß Dank in Worten nichts bedeutet. Dankbarkeit muß sich in Taten beweisen!«
    »Beweisen Sie mir die Ihre!« sagte der alte Soldat.
    »Was kann ich tun, Durchlaucht?«
    »Nehmen Sie folgenden Antrag an!« sagte der Minister. »Man möchte Sie als Anwalt der vom Kriegsministerium zu führenden Prozesse haben. Das Armee-Bauamt ist mit streitigen Angelegenheiten infolge der Befestigungsarbeiten um Paris überschüttet. Damit verknüpft wäre der Posten als Anwalt der Polizei und der königlichen Zivilliste. Diese drei Ämter

Weitere Kostenlose Bücher