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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nur zu küssen gewagt, nicht zu segnen. Denn der Segen eines Ehrlosen, eines Mörders wäre nur ein Fluch. In der Ferne werde ich täglich um euch sein. Was dich anbetrifft, Adeline: Gott muß dich lohnen, wie es dir gebührt! Ich bitte dich um deine Verzeihung!«
    Er sank weinend vor ihr nieder und küßte ihr die Hände.
    »Hektor! Mein lieber Hektor! Deine Vergehen waren groß, aber Gottes Gnade hat keine Grenzen! Du kannst alles sühnen, wenn du bei mir bleibst. Steh auf! Ich bin deine Frau und nicht deine Richterin! Ich bin dein. Wo du mich hinführst, will ich mit dir gehen! Ich fühle die Kraft in mir, dich zu trösten, dir das Dasein erträglich zu machen durch Liebe, Pflege und Verehrung. Unsere Kinder sind versorgt. Sie brauchen mich nicht mehr. Ich will die Leiden deiner Verbannung und deines Unglücks mit dir teilen und sie mildern. Und sollte ich nichts als deine Dienerin sein!«
    »Kannst du vergessen, liebe Adeline?«
    »Ja, mein Lieber! Steh auf!«
    »Mit deiner Verzeihung will ich leben!« rief er aus und erhob sich. »Aber ich werde allein in mein Exil gehen. Folge mir nicht!«
    Adeline wagte nichts zu sagen. Sie war vollständig gebrochen. Inmitten dieses Zusammensturzes hatte sie ihren Mut aus dem Gefühl ihrer Zusammengehörigkeit mit Hektor geschöpft. Ihm gehörte sie bis an das Ende ihrer Tage. Sie sah ihre Sendung darin, ihn zu trösten, ihn der Familie zurückzugewinnen, ihn wieder mit sich selbst zu versöhnen.
    »Hektor, so willst du mich in Verzweiflung, Sorge und Unruhe sterben lassen?«
    »Ich komme zurück zu dir, meine Liebe«, entgegnete er. »Du bist mein Schutzengel, für mich vom Himmel herabgestiegen. Ich komme wieder. Siehst du, liebe Adeline, ich kann aus sehr vielen Gründen nicht hierbleiben. Zunächst ist meine Pension, diese sechstausend Francs, auf vier Jahre verpfändet. Ich habe also nichts. Aber es ist noch schlimmer. In wenigen Tagen droht mir das Schuldgefängnis, weil ich die Wechsel, die Vauvinet von mir hat, nicht einlösen kann. Ich muß mich also so lange entfernen, bis diese Geschichte geordnet ist. Ich werde Viktor genaue Anweisungen hierüber geben. Mein Verschwinden wird die Sache auf das beste fördern. Wenn meine Pension wieder frei ist und wenn Vauvinet befriedigt sein wird, dann lebe ich wieder bei euch. Dein Mitgehen würde nur meinen Aufenthaltsort verraten. Sei ruhig, liebe Adeline, und weine nicht! Es wird alles gut werden!«
    »Wohin willst du denn gehen? Was willst du machen? Was wird aus dir werden? Du bist nicht mehr jung. Wer wird für dich sorgen? Laß mich doch lieber mit dir verschwinden. Wir wollen zusammen in das Ausland gehen!«
    »Wir wollen sehen!« wehrte er ab.
    Hulot klingelte und befahl Mariette, die Koffer und die Sachen schnell und unbemerkt zu packen. Nachdem er seine Frau mit überschwenglicher Zärtlichkeit geküßt hatte – sie war das längst nicht mehr gewohnt –, bat er sie, ihn allein zu lassen. Er wolle die nötigen Anordnungen für Viktor niederschreiben. Er versprach ihr, das Haus erst bei Nacht und mit ihr zusammen zu verlassen.
    Kaum war die Baronin nach dem Salon zurückgegangen, da schlich er sich durch sein Ankleidezimmer in das Vorhaus und verließ die Wohnung. Mariette hatte er einen Zettel übergeben, auf dem geschrieben stand: »Schicke mir meine Koffer per Bahn: Herrn Hektor, Corbeil, bahnlagernd!«
    Nachdem Hulot in einer Droschke längst weggefahren war, übergab Mariette der Baronin den Zettel mit der Meldung, der Herr Baron sei ausgegangen. Adeline stürzte sofort in sein Zimmer, aufgeregt wie noch nie in ihrem Leben. Erschrocken folgten ihr Hortense und Viktor, als sie ihre Mutter einen gellenden Schrei ausstoßen hörten. Die Baronin, die bewußtlos geworden war, mußte zu Bett gebracht werden. Sie verfiel in ein Nervenfieber. Vier Wochen lang schwebte sie zwischen Leben und Tod.
    »Wo ist er?« Das war das einzige, was sie in dieser Zeit sagte.
    Viktors Nachforschungen blieben ohne Erfolg.
    Der Baron war nach der Place du Palais Royal gefahren. Dort stieg er aus und nahm in der Rue Joquelet einen eleganten Mietwagen zur Rue de la Ville l´Evêque, nach dem Hause Josephas. Der Mann, der vor kurzem noch vor Schmerz und Gram halbtot das Bett gehütet hatte, war mit einem Male wieder im Besitz seiner geistigen Kräfte.
    Neugierig kam Josepha an den Wagen, der auf den Ruf des Kutschers eingelassen worden war und in der Durchfahrt des Hauses hielt. Der Kammerdiener hatte der Sängerin gemeldet, ein alter

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