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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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»Mein Mann und ich sind schon lange in deiner Schuld. Wir wollen sie einlösen. Komm, ich will die Sache mit dir im Garten besprechen.«
    So spielte Lisbeth die Rolle der guten Fee der Familie. Sie sah sich von allen hochverehrt: von Crevel, von Hulot, von Adeline und Hortense.
    »Wir möchten, daß du nicht mehr zu arbeiten brauchst«, fuhr die Baronin fort. »Angenommen, du verdienst in der Woche zwölf Francs, so macht das sechshundert Francs im Jahre aus. Und wie hoch belaufen sich deine Ersparnisse?«
    »Viertausendfünfhundert Francs.«
    »Armes Tantchen!« meinte die Baronin. In ihrer tiefen Rührung überdachte sie bei sich, wieviel Mühsal und Entbehrung dazu gehört hatten, innerhalb von dreißig Jahren diese Summe nur durch ihrer Hände Arbeit zusammenzubringen. Lisbeth aber verkannte den Sinn des Ausrufes; sie wähnte parvenühaften Spott herauszuhören. Ihr Haß nahm beträchtlich zu, während ihre Kusine gerade in diesem Augenblick all ihr Mißtrauen gegen die Tyrannin ihrer Kinderzeit aufgab.
    »Wir werden die Summe um zehntausendfünfhundert Francs erhöhen«, erklärte die Baronin, »und das Ganze auf Hortenses Namen als Besitzerin und deinen als Nutznießerin anlegen. Damit wirst du eine Jahresrente von sechshundert Francs haben.«
    Lisbeth gab sich den Anschein, als sei sie außer sich vor Glück. Als sie von diesem Gartengange zurückkam, hielt sie sich das Taschentuch vor die Augen, als ob sie die Freudentränen trocknete. Hortense berichtete ihr von den Gunstbeweisen, die sich über Stanislaus, den Liebling der ganzen Familie, ergossen.
    Als der Baron kam, fand er seine Familie vergrößert, da die Baronin den Grafen feierlichst als Schwiegersohn begrüßt und die Hochzeit – unter Voraussetzung der Einwilligung des Barons – festgesetzt hatte; sie sollte in ungefähr vierzehn Tagen stattfinden. Sobald Hulot den Salon betrat, wurde er von Frau und Tochter stürmisch begrüßt. Diese flüsterte ihm das Ereignis ins Ohr und jene umarmte ihn.
    »Ihr habt mich in allzu hohe Verbindlichkeiten gestürzt, meine Damen!« wehrte er in strengem Tone ab. »So rasch geht es nicht!«
    Er warf dem Grafen einen Blick zu, unter dem dieser erbleichte. Der Künstler sagte sich traurig: Er weiß von meiner Verhaftung.
    »Kommt mal mit, Kinder!« Mit diesen Worten führte er seine Tochter und ihren Bräutigam in den Garten. Er setzte sich mit ihnen auf eine der moosbewachsenen Bänke der alten Laube.
    »Mein lieber Graf«, begann er, »lieben Sie mein Kind so ... wie ich seine Mutter geliebt habe?«
    »Mehr noch!« beteuerte Stanislaus.
    »Sie war die Tochter eines Bauern und hatte keinen Pfennig Vermögen.«
    »Herr Baron, geben Sie mir Ihre Tochter so wie sie hier sitzt, ohne Aussteuer ...«
    »Das glaub ich Ihnen schon!« meinte Hulot lächelnd. »Hortense ist die Tochter vom Baron Hulot von Ervy, Staatsrat und Abteilungschef im Kriegsministerium, Großoffizier der Ehrenlegion, dem Bruder des Grafen Hulot, dessen Lorbeeren unverwelklich sind und der Marschall von Frankreich ist. Dazu hat sie ... eine Mitgift!«
    »Gewiß, Herr Baron«, wandte der verliebte Künstler ein, »ich mag eitel und ehrgeizig erscheinen. Aber meine teure Hortense könnte das Kind eines Arbeiters sein. Ich würde sie doch heiraten wollen ...«
    »Das war es ja, was ich wissen wollte!« sagte der Baron. »Hortense, geh und laß mich einmal mit dem Grafen allein. Daß er dich aufrichtig liebt, siehst du!«
    »Väterchen, ich wußte ja, daß du bloß gescherzt hast«, frohlockte Hortense.
    »Mein lieber Steinbock«, begann der Baron in wundervoller Urbanität und in liebenswürdigstem Tone, als er mit dem Künstler allein war, »ich habe seinerzeit meinem Sohne zweihunderttausend Francs zur Verfügung gestellt, als er sich verheiratete. Der arme Kerl hat davon keinen roten Heller angerührt. Er wird es auch nie tun. Ebenso hoch beläuft sich die Mitgift meiner Tochter, über die Sie mir eine Empfangsbescheinigung ausstellen werden ...«
    »Gewiß, Herr Baron ...«
    »Sie Draufgänger Sie«, unterbrach ihn der Baron, »wollen Sie mich gefälligst anhören. Man kann von einem Schwiegersohn nicht die nämliche Ergebenheit erwarten, wie man sie von seinem eigenen Sohn von Rechts wegen verlangt. Mein Sohn wußte, was ich für seine Zukunft tun konnte und tun werde. Er wird Minister werden und seine zweimalhunderttausend Francs mit Leichtigkeit selber finden. Mit Ihnen, junger Mann, ist das eine andere Sache! Sie sollen sechzigtausend Francs zu

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