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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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zehntausend Francs anzahlen. Zur Reise nach Afrika genügt das doch wohl?«
    Der alte Mann nickte zustimmend.
    »Um alles andere«, fuhr Hulot fort, »mache dir keine Sorgen! Den Rest der Kaufsumme für dein Haus werde ich mir aneignen. Ich brauche das Geld.«
    »Alles gehört dir, selbst mein Leben!« beteuerte der Alte.
    »Habe keine Angst!« sagte Hulot. Er hatte ihm mehr Scharfsinn zugetraut, als er besaß. »Bei unserm Geschäft wird deine Redlichkeit keinen Schaden erleiden. Die Hauptsache ist, daß man vom Staate gedeckt ist. Und dafür habe ich gesorgt. Das ist in Ordnung. – Natürlich, Vater Fischer, ist das unser strengstes Geheimnis. Ich kenne dich, und so habe ich mit dir offen und ehrlich gesprochen.«
    »Ich werde gehen«, sagte der Alte, »und auf wie lange?«
    »Auf zwei Jahre. Du wirst dir hunderttausend Francs erübrigen und damit deine alten Tage vergnügt in den Vogesen verleben.«
    »Es soll geschehen, wie du willst. Meine Ehre ist deine Ehre!« erklärte der alte Mann voll Ruhe.
    »Du bist mein Mann! Übrigens, du wirst nicht abreisen, ehe du deine Großnichte als glückliche Ehefrau gesehen hast. Sie wird Gräfin.«
     
    Einige Tage vorher hatte Hulot sein Leben bei einer Lebensversicherungsgesellschaft mit hundertundfünfzigtausend Francs versichert. Im Besitze der Police, deren Prämien er auf drei Jahre bezahlt hatte, hielt er dem Baron von Nucingen, Pair von Frankreich, mit dem er in dessen Wagen von einer Kammersitzung zum Diner fuhr, folgende Rede:
    »Lieber Baron, ich brauche siebzigtausend Francs, um die ich Sie bitte. Sie werden einen Strohmann nehmen, dem ich mein Gehalt auf drei Jahre abtrete. Es beträgt fünfundzwanzigtausend Francs im Jahr; das sind in drei Jahren fünfundsiebzigtausend. Sie werden einwenden, ich könnte bis dahin sterben ...«
    Nucingen nickte bejahend. Hulot zog die Police aus der Tasche.
    »Hier ist eine Lebensversicherung auf hundertundfünfzigtausend Francs. Achtzigtausend davon sollen auf Sie eingetragen werden.«
    »Wenn nun aber Ihre Stellung hops geht?« wandte der Millionenbaron lachend ein.
    Der andere Baron, der Nichtmillionär, wurde nachdenklich.
    »Beruhigen Sie sich! Will damit nur gesagt haben, daß es ein Dienst ist, wenn ich die Summe gebe. Sie sind in Verlegenheit, denn die Bank hat 'n Wechsel von Ihnen.«
    »Ich verheirate meine Tochter«, gab Hulot zur Antwort. Dann fuhr er fort: »Ich besitze kein Vermögen wie alle, die Beamte bleiben in einer Zeit, wo fünfhundert Spießbürger im Abgeordnetenhause sitzen, ohne daran zu denken, verdienstvolle Leute so reichlich zu belohnen, wie es der Kaiser tat.«
    »Na, Sie haben ausgehalten die Josepha. Das erklärt alles!« meinte der Pair. »Unter uns gesagt, der Herzog von Hérouville hat Ihnen 'n großen Gefallen getan, daß er Sie befreit hat von dem Vampir!« Nach einer Weile setzte er hinzu: »Nehmen Sie den Rat eines Freundes! Schließen Sie Ihren Laden, sonst ist es aus mit Ihnen!«
    Das verdächtige Geschäft wurde durch die Vermittlung eines kleinen Bankiers namens Vauvinet abgeschlossen, eines der »Managers«, die sich neben den großen Banken zu halten wissen wie die Hechte neben den Haien. Dieser Halsabschneider, versessen darauf, sich die Protektion einer so einflußreichen Persönlichkeit zu verschaffen, erbot sich, dem Baron einen Dreimonatswechsel auf dreißigtausend Francs zu diskontieren und ihn viermal zu prolongieren, ohne daß er in Umlauf kommen sollte.
    Der Nachfolger Fischers mußte für das Haus vierzigtausend Francs zahlen, bekam aber das Versprechen, daß man ihm die Furagelieferung für ein an Paris grenzendes Departement verschaffen werde.
    In diesen schrecklichen Irrgarten jagten die Leidenschaften einen bis dahin grundehrlichen Mann, einen der geschicktesten Beamten der napoleonischen Verwaltung. Das Joch des Wuchers zwang ihn zur Unredlichkeit, und in das Joch hatten ihn seine galanten Streiche und die Verheiratung seiner Tochter getrieben. Seine verschwenderischen Ausgaben und alle seine Bemühungen hatten keinen andern Sinn, als in Frau Marneffes Augen groß dazustehen. Er wollte der Jupiter dieser bürgerlichen Danaë sein. Mehr Beweglichkeit, Umsicht und Wagemut, als der Baron entfaltete, um Hals über Kopf in sein Unglück zu stürzen, hätte der Tüchtigste nicht für die beste Sache der Welt aufbieten können. Er erledigte seine Amtspflichten, trieb die Handwerker an, beaufsichtigte die Arbeiter und kümmerte sich bis in die nebensächlichsten Einzelheiten um

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