Tante Lisbeth (German Edition)
fünf Prozent im Staatsrentenbuche auf Ihre Frau eingetragen bekommen. Davon wird zunächst allerdings eine kleine Rente für Tante Lisbeth abgehen. Aber sie wird nicht lange leben. Ich weiß, sie ist lungenkrank. Verraten Sie das aber niemandem! Das arme Mädel soll in Frieden sterben. Fernerhin wird meine Tochter eine Aussteuer im Werte von zwanzigtausend Francs erhalten und schließlich von ihrer Mutter Brillanten im Werte von sechstausend Francs ...«
»Herr Baron, das ist zuviel!« stotterte der Künstler betroffen. Der Baron sprach weiter:
»Was den Rest der zweihunderttausend Francs betrifft, so ...«
»Ich bitte Sie, Herr Baron«, unterbrach ihn der Künstler, »ich will nichts als meine Hortense.«
»Lassen Sie mich doch nur ausreden, Sie junger Heißsporn! Was die hundertundzwanzigtausend Francs betrifft: die habe ich nicht, aber Sie sollen sie auch bekommen.«
»Aber, Herr Baron ...«
»Die werden Sie von der Regierung bekommen, in Aufträgen, die ich Ihnen auswirken will. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Sie werden ein Atelier im Marmordepot erhalten. Stellen Sie ein paar schöne Statuen aus, und ich verschaffe Ihnen die Aufnahme in die Akademie! Man hat höheren Orts sehr viel für meinen Bruder und mich übrig. Dadurch erhoffe ich Ihnen für dreißigtausend Francs Aufträge für den Hof versorgen zu können. Zu guter Letzt werden Sie auch für die Stadt Paris Arbeiten ausführen, ebenso für die Pairskammer. Sie werden so viel zu tun haben, daß Sie Hilfskräfte verwenden müssen. Auf die Weise, mein Lieber, werde ich meine Schuld tilgen. Sagen Sie, gefällt Ihnen die Art Zahlung der Mitgift? Trauen Sie sich dazu die Kraft zu?«
»Ich fühle die Kraft in mir, meiner Frau ein Vermögen zu erwerben, ohne auf all das zu rechnen«, gab der Künstler stolz zur Antwort.
»Das liebe ich!« rief der Baron aus. »In der Jugend traut man sich alles zu! Ich hätte einer Frau zuliebe Armeen vernichten wollen! Abgemacht! Sie haben meine Einwilligung!« Er ergriff die Hand des jungen Bildhauers und schüttelte sie. »Am nächsten Sonntag unterzeichnet Ihr den Ehevertrag, und den Sonnabend darauf geht es zum Altar. Es ist der Namenstag meiner Frau.«
Die Baronin stand mit Hortense am Fenster.
»Sieh, dein Zukünftiger und der Vater geben sich die Hände. Es ist alles in Ordnung.«
Als Stanislaus am Abend nach Hause kam, fand er die Lösung des Rätsels seiner raschen Entlassung aus der Haft. Beim Portier lag ein dickes versiegeltes Paket, das den Schuldtitel nebst einer Quittung enthielt und folgenden Begleitbrief:
»Lieber Stanislaus!
Ich war heute vormittag um zehn Uhr bei Dir, um Dich einer königlichen Hoheit vorzustellen, die Dich kennenzulernen wünscht. Da erfuhr ich, daß der Feind Dich auf eine kleine Insel verschleppt hat, deren Hauptstadt Clichy's Castle heißt.
Ich bin schleunigst zu Leon von Lora gegangen und habe ihm lachend eröffnet, daß Du viertausend Francs Lösegeld brauchtest und daß Deine Zukunft auf dem Spiele stände, wenn Du Dich nicht Deinem fürstlichen Protektor vorstelltest. Zum Glück war Bridau da, der geniale Kerl, der selbst erfahren hat, was Armut und Not ist, und der Deine Geschichte kennt. Die beiden haben die Summe zusammengeschossen, und dann habe ich den Gauner bezahlt. Der Mensch hat eine Geniebeleidigung begangen, indem er Dich hat einsperren lassen. Da ich mittags in den Tuilerien sein mußte, habe ich mir Deine Entlassung nicht selber mitansehen können.
Ich weiß, Du bist ein Ehrenmann. Ich habe mich auch bei meinen beiden Freunden für Dich verbürgt. Aber mache ihnen morgen Deinen Besuch.
Leon und Bridau wollen kein Geld von Dir. Sie werden Dich beide um je eine Arbeit von Dir bitten. Das ist sehr richtig von ihnen, denke ich, der ich mich gern Deinen Rivalen nennen möchte, aber nur Dein Kamerad bin.
Stidmann.
Nachschrift: Ich habe dem Fürsten gesagt, Du seiest bis morgen verreist, und er hat zur Antwort gegeben: Gut, also morgen!«
Wie war es dem Baron möglich geworden, seiner Tochter Mitgift und Aussteuer zu geben und zugleich die erstaunlichen Kosten der reizenden Einrichtung für Frau Marneffe aufzubringen? In Hulot steckte in Geldsachen jener Dämon, der die Verschwender und Kraftnaturen dem gefahrvollen Abgrunde zutreibt, in dem sie verderben. An ihm konnte man diese seltsame Macht so recht beobachten, die im Laster erstarkt und jene Gewalttaten ermöglicht, die hie und da von genialen Sinnesmenschen vollbracht werden.
Tags zuvor am
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