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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Vormittag sah sich der alte Hans Fischer außerstande, die dreißigtausend Francs zu bezahlen, die sein Neffe eingestrichen hatte, somit vor der Notwendigkeit, seine Zahlungsunfähigkeit zu erklären, falls ihm der Baron die Summe nicht zurückerstattete. Der ehrwürdige, weißhaarige Siebzigjährige setzte ein blindes Vertrauen in Hulot, der ihm, dem Bonapartisten, noch von der Sonne Napoleons verklärt erschien. Und darum ging er mit dem Bankbeamten ruhig im Vorzimmer der kleinen Parterrewohnung auf und ab, in der er für achthundert Francs Miete wohnte und von wo aus er seine mannigfachen Getreide- und Furageunternehmungen leitete.
    »Margarete holt das Geld in allernächster Nähe«, sagte er zu ihm.
    Der Mann in der grauen silberbestickten Uniform kannte die Rechtschaffenheit des alten Elsässers so gut, daß er die dreißigtausend Francs in Banknoten auslegen wollte; aber der Greis nötigte ihn zu warten, indem er ihn darauf aufmerksam machte, daß es noch nicht acht Uhr geschlagen habe. Eine Droschke fuhr vor, er eilte auf die Straße hinaus und hielt dem Baron seine Hand mit einer wunderbaren Gewißheit entgegen. Hulot händigte ihm dreißig Banknoten ein.
    »Fahre drei Häuser weiter! Ich sage dir nachher, warum«, bat der alte Fischer.
    »Hier, junger Mann!« sagte er dann zu dem Bankbeamten, zählte ihm die Scheine vor und geleitete ihn bis vor die Haustür. Als der Mann außer Sehweite war, rief Fischer die Droschke wieder heran, in der sein erhabener Neffe, der Paladin Napoleons, wartete. Indem er ihn in sein Haus führte, bemerkte er:
    »Es ist doch besser, man erfährt in der Bank von Frankreich nicht, daß du mir die dreißigtausend Francs, die dir überwiesen worden waren, wiedergebracht hast. Es ist schon gerade genug, daß man dort die Unterschrift von einem Manne wie dir hat.«
    »Gehen wir hinter in deinen Garten, Vater Fischer!« schlug Hulot vor. »Du bist gesund?« fuhr er dort fort, indem er sich in eine Laube von wildem Wein setzte und den Alten musterte wie ein Sklavenhändler einen Kaufgegenstand.
    »Kerngesund!« gab der kleine magere, aber markige Greis lachend und mit munterm Blick zurück.
    »Die Hitze verträgst du wohl aber nicht?«
    »Im Gegenteil.«
    »Und was hältst du von Afrika?«
    »Ein schönes Land! Die Franzosen sind mit dem kleinen Korporal dort gewesen.«
    »Ein Geschäft in Algier könnte uns alle retten!«
    »Aber mein Geschäft?«
    »Ein Beamter des Kriegsministeriums, der seinen Abschied nehmen will und einen Lebensunterhalt sucht, will dir dein Handelshaus abkaufen.«
    »Was soll ich aber in Algier machen?«
    »Kriegsvorräte, Proviant und Furage liefern. Deinen Vertrag mit der Regierung habe ich in der Tasche. Du wirst deine Lieferungen dort im Lande um siebzig Prozent billiger bekommen, als wir sie dir berechnen.«
    »Wer liefert mir aber?«
    »Die Eingeborenen, mittelbar und unmittelbar! Es wächst in Algier, einem nur wenig erforschten Lande (obwohl wir seit acht Jahren dort sind), ungeheuer viel Getreide und Futter. Das gehört den Arabern. Wir nehmen es ihnen unter allerlei Vorwänden ab. Gehört es dann uns, so bemühen sich die Araber, es wiederzuerlangen. Das ist ein ordentlicher Kampf ums Korn, und man kennt niemals genau die Mengen, die man sich gegenseitig abnimmt. Man hat keine Zeit, auf offenem Felde das Getreide scheffelweise abzumessen wie in der Markthalle oder an der Getreidebörse. Die Araberhäuptlinge und ebenso unsere Spahis bevorzugen das bare Geld und verschleudern darum die Erzeugnisse um einen Pappenstiel. Die Armeeverwaltung aber hat bestimmte Bedürfnisse. Sie geht Lieferungsverträge ein zu unerhörten Preisen, wobei sie die Schwierigkeiten des Einkaufs und die Gefahren der Weiterfuhr berücksichtigt. Was ist Algier, kaufmännisch betrachtet? Ein Brachland, das die Leute vom grünen Tisch mit Tinte düngen. Die Verwaltung wird das erst einmal in zehn Jahren klar und deutlich erkennen. Privatleute haben schärfere Blicke. Kurz und gut, ich schicke dich hin, damit du dort dein Glück machst. Ich mache es wie Napoleon, wenn er einen armen Marschall an die Spitze eines Königreiches setzte, in dem etwas zu holen war. Mein lieber Fischer, ich bin ruiniert. Ich muß heute in einem Jahr hunderttausend Francs haben ...«
    »Ich sehe kein Unrecht darin, sie den Beduinen abzunehmen«, meinte der Elsässer gelassen. »Unter dem Kaiserreich tat man dergleichen auch ...«
    »Der Käufer deines Hauses wird dich im Laufe des Vormittags besuchen und dir

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