Tante Lisbeth (German Edition)
die Einrichtung in der Rue Vanneau. Bei aller Fürsorge für Frau Marneffe ging er auch noch in die Kammersitzungen. Kurzum, er lebte ein doppeltes Dasein, ohne daß weder seine Familie noch sonstwer seine Vielgeschäftigkeit durchschaute.
Die Baronin hatte sich über die Rettung ihres Onkels höchlichst gewundert, ebenso über die im Ehevertrage prangende Mitgift. Bei allem Glücksgefühl über die Verheiratung Hortenses unter so anständigen Umständen empfand sie eine gewisse Unruhe. Aber am Tage vor der Hochzeit, die der Baron auf denselben Tag gelegt hatte, an dem Frau Marneffe ihren Einzug in die neue Wohnung halten sollte, ließ sie sich von Hulot durch folgende feierliche Erklärung beschwichtigen:
»Liebe Adeline, mit der Verheiratung unserer Tochter sind alle unsere Sorgen in der Beziehung zu Ende. Damit ist der Zeitpunkt gekommen, daß wir uns aus der großen Gesellschaft zurückziehen. Ich werde nun keine drei Jahre mehr in meinem Amte verbleiben. Nach Verlauf dieser Frist will ich meinen Abschied nehmen. Wozu sollen wir alle noch unnützen Aufwand machen? Unsere Wohnung kostet uns sechstausend Francs Miete; wir halten vier Dienstboten, und der Haushalt verschlingt jährlich dreißigtausend Francs. Wenn dir daran liegt, daß ich meinen Verpflichtungen nachkomme – ich habe nämlich mein Gehalt auf die Dauer von drei Jahren verpfändet, um dadurch das nötige Geld zu Hortenses Aussteuer und zur Deckung des Wechsels deines Onkels ...«
»Ah, damit hast du recht getan, mein Lieber!« unterbrach ihn die Baronin, indem sie ihm die Hand streichelte.
»Ich möchte dich noch um etliche kleine Opfer ersuchen«, fuhr Hulot fort, indem er ihr seine Hand entzog und sie auf die Stirn küßte. »Man hat mir in der Rue Plumet in einem ersten Stock eine wunderhübsche Wohnung angeboten, die sehr nett und gut vorgerichtet ist. Sie kostet nur fünfzehnhundert Francs. Du brauchtest da nur ein Kammermädchen für dich, und ich würde mich mit einem jungen Diener begnügen.«
»Ich bin einverstanden, Bester!«
»Indem wir unsern Haushalt vereinfachen, ohne uns nach außen etwas zu vergeben, wirst du mit sechstausend Francs gut auskommen. Was ich für mich brauche, ist nicht mitgerechnet. Das bringe ich selbst auf.«
Die hochherzige Frau fiel ihrem Manne überglücklich um den Hals.
»Wie herrlich, daß ich dir von neuem beweisen kann, wie sehr ich dich liebe!« rief sie aus. »Du weißt doch immer Hilfe!«
»Wir werden unsere Verwandten einmal in der Woche bei uns sehen. Zu Tisch komme ich, wie du weißt, selten. Du kannst also ruhig zweimal wöchentlich bei Viktor und zweimal bei Hortense essen. Und da ich glaube, daß sich zwischen Crevel und uns eine völlige Wiederversöhnung bewerkstelligen läßt, werden wir alle acht Tage bei ihm zu Tisch sein. Wenn ab und zu noch eine Einladung außerhalb des Familienkreises dazukommt, dann ist die ganze Woche ausgefüllt!«
»Ich werde für dich sparen!« sagte Adeline.
»Du bist die Perle aller Frauen!«
»Mein lieber, herrlicher Hektor! Ich werde dich bis zum letzten Atemzuge segnen«, gab sie zur Antwort, »weil du unsere Hortense so gut verheiratet hast!«
So begann die Einschränkung des Haushalts der schönen Frau von Hulot und damit die Trennung, die der Baron der Frau Marneffe versprochen hatte.
Der dicke kleine Vater Crevel, der selbstverständlich den Ehevertrag als Zeuge mit unterschrieben hatte, betrug sich bei alledem so, als ob sich die Szene zu Beginn unserer Erzählung nie zugetragen hätte und als ob er nicht den geringsten Groll gegen den Baron Hulot hegte. Er erschien als der liebenswürdigste Mensch von der Welt. Der ehemalige Ladenbesitzer verriet sich zwar noch genügend, aber kraft seiner Würde als Bataillonskommandeur machte er wirklich den Eindruck des überlegenen Mannes.
Er machte den Vorschlag, daß nach der Hochzeit getanzt werden solle.
»Meine Gnädige«, sagte er galant zur Baronin, »Menschen wie wir müssen vergessen können. Verbannen Sie mich nicht gänzlich aus Ihrem Herzen und seien Sie so gütig, hin und wieder mein Haus zu durchsonnen, indem Sie mit Ihren Kindern kommen! Seien Sie unbesorgt, nie sollen Sie von mir hören, was in der Tiefe meines Herzens ruht! Ich habe mich damals wie ein dummer Junge benommen, aber um alles in der Welt möchte ich Sie nicht verlieren ...«
»Herr Crevel, als anständige Frau verstehe ich gewisse Anspielungen nicht. Wenn Sie Ihr Wort halten, dann können Sie fest überzeugt sein, daß ich den
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