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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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läßt!«
    »Welche denn?«
    »Na, die Frau des Kanzleisekretärs, den du Gott weiß wie begönnerst, die Frau Marneffe!«
    »Woher weißt du das?«
    »Siehst du, Hulot! Ich will mir Mühe geben, deine Untaten an mir zu vergessen, wenn du mich bei ihr einführst. Ich werde dich dafür mit zu meiner Heloise nehmen. Alle Welt fragt, wer das scharmante Weib da sei. Bist du übrigens sicher, daß niemand in deinen Kanzleien dahinterkommt, warum ihr Mann Karriere macht? Alter Spitzbube! Na, komm! Laß uns Freunde sein, Cinna!«
    »Und ehrliche Freunde!« bekräftigte der Baron. »Ich verspreche dir, ein braver Kerl zu sein. In vier Wochen sollst du mit dem Engel zusammen soupieren. Alter Junge, mach es wie ich! Halte dich an die Engel, und laß die Teufel der Rache, wo der Pfeffer wächst!«
    Tante Lisbeth hatte sich in der Rue Vanneau in einer hübschen kleinen Wohnung im dritten Stock niedergelassen. Als sie um zehn Uhr vom Hochzeitsballe nach Hause kam, fand sie zwei Urkunden über je sechshundert Francs Rente vor; als Eigentümerin des Kapitals war in der einen Urkunde die Gräfin Steinbock, in der anderen Frau von Hulot jun. eingetragen. Man begreift nun, warum Crevel zu seinem Freunde Hulot von Frau Marneffe hatte sprechen können, d.h. von einem Geheimnis, das niemandem bekannt sein konnte. Da Herr Marneffe abwesend war, waren der Baron, Valerie und Tante Lisbeth die allein Wissenden gewesen.
    Baron Hulot hatte die Unklugheit begangen, Frau Marneffe eine Toilette zu schenken, die für die Frau eines Kanzleisekretärs viel zu kostbar war. Die andern Beamtenfrauen wurden sowohl auf diese Toilette wie auf die Schönheit Valeries eifersüchtig. Es gab ein allgemeines Tuscheln hinter den Fächern, denn die Not im Hause Marneffe war im ganzen Kriegsministerium bekannt. Marneffe hatte gerade, als sich sein Chef in seine Frau verliebte, ein Unterstützungsgesuch eingereicht. Außerdem vermochte Hulot sein Entzücken über den Eindruck, den Valerie machte, nicht zu verbergen. Voll wirklich edler Zurückhaltung ließ die Vielbeneidete jene allgemeine Prüfung über sich ergehen, die so viele Frauen beim Eintritt in eine ihnen neue Welt fürchten.
    Nachdem sich Hulot von seiner Frau, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn am Wagen verabschiedet hatte, überließ er seinem Sohne und seiner Schwiegertochter die Rolle des Hausherrn und entschlüpfte unbemerkt. Er stieg in Frau Marneffes Wagen und begleitete sie. Sie kam ihm wortkarg und nachdenklich, fast schwermütig vor.
    »Macht dich das Glück traurig, Valerie?« fragte er sie und zog sie an sich.
    »Mein Lieber, soll eine arme Frau wie ich nicht traurig sein, wenn sie ihren ersten Fehltritt begeht? Selbst wenn ihr Mann in seiner Gemeinheit nichts dagegen hat. Glaubst du, ich hätte keine Seele, keinen Glauben, keine Moral? Du hast dich heute abend auf die indiskreteste Weise amüsiert und mich gräßlich bloßgestellt. Tatsächlich, ein Primaner hätte sich schlauer benommen. Alle diese Damen haben mich mit ihren Glotzaugen und Giftzungen aufgespießt. Jede Frau hält auf ihren guten Ruf. Du hast mir den meinen vernichtet. Ach ja, ich bin nun ganz die Deine! Ich kann meine Sünde durch nichts wiedergutmachen als durch die Treue zu dir, du Scheusal!«
    Sie lachte und ließ sich von ihm küssen.
    »Du wußtest wohl, was du tatest! Frau Coquet, die Frau unseres Kanzleidirektors, hat sich neben mich gesetzt, um meine Spitzen zu bewundern. Echt irische? meinte sie. Die sind mordsteuer! – Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, hab ich ihr darauf geantwortet. Habe sie von meiner Mutter geerbt. Ich bin nicht so reich, um mir solche Spitzen kaufen zu können!«
    Valerie hatte den ehemaligen Liebling des Kaiserhofes dermaßen behext, daß er glaubte, sie beginge ihren ersten Fehltritt und vergäße alle ihre Pflichten aus Leidenschaft zu ihm. Sie erzählte ihm, ihr Gatte hätte sie dereinst nach dreitägiger Ehe verlassen, aus ordinärstem Anlaß. Seitdem habe sie das Dasein des keuschesten jungen Mädchens geführt und sei eigentlich recht glücklich gewesen. Die eheliche Gemeinschaft sei ihr etwas Gräßliches. Das sei auch der Grund ihrer augenblicklichen Traurigkeit.
    »Wenn die Liebe auch nichts anderes wäre als die Ehe!« jammerte sie unter Tränen.
    Diese eitlen Lügen, die fast alle Frauen in der nämlichen Lage machen, trugen den Baron in den siebenten Himmel. Valerie ließ sich nur unter Sträuben erobern, während in der gleichen Stunde Hortense und der verliebte

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