Tante Lisbeth (German Edition)
ewig jung. Er ist mir so verhaßt, daß ich an dem Tage, nachdem mein Mann Kanzleidirektor und Ritter der Ehrenlegion geworden ist...« '
Der Brasilianer unterbrach sie:
»Wieviel Gehalt wird er dann mehr bekommen?«
»Tausend Taler.«
»Ich will sie ihm lebenslänglich aussetzen!« erklärte der Marquis. »Komm, verlassen wir Paris!«
»Wohin aber?« Valerie zog ein niedliches Schmollgesicht. »Paris ist die einzige Stadt, wo wir glücklich leben könnten. Deine Liebe geht mir über alles. Ich habe keine Lust, sie nach und nach einzubüßen, bloß weil wir uns in irgendeinem öden Neste langweilen. Höre mich an, Heinrich! Du bist der einzige Mann in der ganzen Welt, den ich liebe. Schreibe dir das auf deinen Tigerschädel!«
Die Frauen reden Männern, die sie zu Schafen gemacht haben, immer ein, sie seien Löwen und hätten einen eisernen Charakter.
»Also paß mal gut auf! Mein Mann lebt keine fünf Jahre mehr. Er ist zerfressen bis ins Mark seiner Knochen. Von den zwölf Monaten im Jahr bringt er sieben damit zu, weiß der Teufel was alles einzunehmen. Er verpackt sich in Watte. Der Arzt meint, jeden Augenblick könne ihn der Schlag rühren. Die kleinste Erkältung, die einem andern Manne nicht ein bißchen schadet, ist für ihn tödlich. Sein Blut ist total verdorben, seine Lebenskraft bis in den Grund erschüttert. Seit fünf Jahren darf er mich nicht anrühren. Der Kerl ist die reine Pest. Eines Tages – und der Tag ist nicht mehr fern – bin ich Witwe. Und ich erkläre dir, ich, die ich sogar von einem Manne begehrt werde, der sechzigtausend Francs Renten besitzt und dem ich was pfeife, ich erkläre dir, und wenn du arm wie Hulot und aussätzig wie Marneffe wärest und mich schlügest wie er: daß ich dich zum Manne haben will, dich und keinen andern, weil ich dich liebe und deinen Namen tragen will! Ich bin bereit, dir jeden Liebesbeweis zu geben, den du von mir nur wünschen kannst!«
»Noch heute abend?«
»Mein lieber Jaguar, der du mir zuliebe die Urwälder Brasiliens verlassen hast«, schmeichelte sie, indem sie seine Hand erfaßte, sie küßte und streichelte, »achte doch das Geschöpf ein bißchen, das du zu deiner Frau machen willst! Soll ich das einmal werden, Heinrich?«
»Ja!« beteuerte der Brasilianer im Banne seiner sinnlosen Leidenschaft.
Er sank auf die Knie.
Valerie ergriff seine beiden Hände und schaute ihm tief in die Augen. »Schwörst du mir, Heinrich, hier in Gegenwart meiner besten und einzigen Freundin, daß du mich nach meinem Witwenjahre zur Frau nehmen willst?«
»Ich schwöre es dir!«
»Das genügt nicht. Schwöre bei den Gebeinen und dem Andenken deiner Mutter, schwöre es bei der Madonna und bei deiner ewigen Seligkeit!«
Valerie wußte, daß er diesen Schwur halten werde, selbst wenn sie in den tiefsten Schmutz der menschlichen Gesellschaft sänke. Der Brasilianer legte den Eid feierlich ab, indem er mit seinem Gesicht die bloße Brust Valeries leise berührte. Seine Augen flammten. Er befand sich in einem Rausche, wie er einen Mann überkommt, wenn er eine geliebte Frau wiedersieht, der zuliebe er vom andern Ende der Welt hergeeilt ist.
»Nun sei aber friedlich! Ehre in Frau Marneffe die einstige Marquise von Montejanos! Und keinen roten Heller gibst du für mich aus. Ich verbiete dir das! Bleibe hier im ersten Zimmer, und leg dich da auf das kleine Sofa. Ich werde selber kommen und dich benachrichtigen, wenn du deinen Posten verlassen kannst. Morgen werden wir zusammen frühstücken, und um ein Uhr wirst du gehen, als hättest du mir einen Mittagsbesuch gemacht. Habe keine Angst! Die Pförtnersleute sind mir treu wie Gold. Jetzt muß ich aber hinunter, den Tee bereiten.«
Sie machte Lisbeth ein Zeichen, worauf diese sie zur Treppe geleitete.
»Dieser Schwarzkopf ist etwas zu zeitig wiedergekommen«, flüsterte sie draußen der alten Jungfer ins Ohr. »Ich muß dich erst an Hortense rächen!«
»Sei ruhig, geliebter kleiner Teufel!« beschwichtigte Lisbeth sie, indem sie die Freundin auf die Stirn küßte. »Liebe und Rache vereint sind unbesiegbar! Hortense erwartet mich morgen. Sie ist in elender Lage. Um in den Besitz von tausend Francs zu kommen, wird dich Stanislaus tausendmal küssen!«
Als Hulot Valerie verlassen hatte, war er bis zur Wohnung des Pförtners hinuntergestiegen.
»Frau Olivier!«
Der Befehlston Hulots und die Geste dazu jagte die Gerufene aus ihrem Stübchen.
»Sie wissen«, begann der Baron, »wenn irgend jemand Ihrem Sohne
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