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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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müdemachender Kampf, den die Stärksten fürchten und lieben, in dem viele zugrunde gehen. Ein großer neuerer Dichter sagt von dieser schrecklichen Arbeit: »Voll Verzweiflung gehe ich an sie heran, und mit Kummer verlasse ich sie!« Die Laien ahnen das nicht. Ein Künstler muß sich kopfüber in sein Werk stürzen wie Curtius in den Abgrund, wie der Soldat auf eine Schanze, ohne Überlegung; er muß in der Enge arbeiten wie der Bergmann im Schutt seines Schachtes; er muß alle Schwierigkeiten niederkämpfen wie der verliebte Ritter im Märchen den ewig sich wandelnden Zauberer, bis er seine Prinzessin befreit. Sonst bleibt das Werk ein Torso, der noch in der Werkstatt zerfällt.
    Stanislaus, diese Träumernatur, hatte unter der Herrschaft Lisbeths beim Schaffen, Ausarbeiten und Vollenden so viel Energie verbraucht, daß unter seinem Glück und seiner Liebe eine Reaktion eintrat. Das Unterdrückte seines Charakters gewann wieder die Oberhand. Trägheit und Sorglosigkeit, die Passivität seines Bluts löschte alle Spuren der moralischen Peitschenschläge seiner Tyrannin aus. Während der ersten Monate seiner Ehe war der Künstler in seine Frau verliebt. Hortense und Stanislaus gaben sich den süßen Kindereien einer glücklich legitimen Leidenschaft hin. Hortense war die erste, die ihn jeglicher Arbeit entfremdete, stolz, über ihre Rivalin, die Kunst, zu triumphieren. Es ist eine alte Geschichte, daß die Zärtlichkeiten eines Weibes die göttlichen Musen verjagen; sie brechen die Kraft und die Zähigkeit des Schaffenden. Ein halbes Jahr verging so; die Hände des Bildhauers verlernten den Meißel zu führen. Als er wieder arbeiten mußte, als der Fürst von Weißenburg, der Vorsitzende des Denkmalsausschusses, die Statue besichtigen wollte, hatte Stanislaus nur das alte Drohnenwort zur Hand: »Jetzt mache ich mich aber daran!« Seine Hortense beschwichtigte er mit trügerischen Redensarten. Großartige Pläne paffte der Künstler und Raucher nur so in die Luft. Hortense liebte ihn um so mehr. Vor ihrem Geiste erstand ein erhabenes Denkmal des Marschalls. Dieser marmorne Montcornet mußte die vollendete Verkörperung der Unerschrockenheit, das Urbild eines Reiterführers werden. Ein Löwe wie Murat! Mehr noch. Vor diesem Standbilde mußten dem Beschauer alle Siege des Kaisers durch die Knochen rieseln ... Das bißchen technische Ausführung!
    Zunächst kam – statt der Statue – ein kleiner Steinbock auf die Welt.
    Seitdem es die Ausführung des Denkmals erforderte, daß Steinbock in den Werkstätten von Gros-Caillou arbeiten mußte, war es heute die Uhr für den Fürsten, die ihn in das Atelier von Florent & Chanor abrief, morgen die schlechte Beleuchtung, übermorgen ein dringlicher Geschäftsgang oder ein Familiendiner, die ihn hinderten, gar nicht zu rechnen die Tage, wo ihm Stimmung oder Gesundheit fehlten, und die Stunden, die er mit seiner Frau vertändelte. Der Fürst von Weißenburg bekam erst nach sehr energischem Auftreten ein Modell der Statue. Erst nach tausend Anfragen und Beschwerden konnte der Denkmalsausschuß die Gipsfigur besichtigen. Tag für Tag kehrte der. Künstler sichtlicher ermüdet heim, voll Klagen über die grobe Arbeit und über seine körperliche Schwäche.
    Während dieses ersten Jahres erfreute sich der gräfliche Haushalt eines gewissen Wohlstandes. Die Gräfin, die in ihren Mann vernarrt war, verwünschte im Rausche der sinnlichen Befriedigung den Kriegsminister. Sie machte ihm einen Besuch und ließ die Bemerkung fallen, große Kunstwerke könne man nicht wie Kanonen fabrizieren. Die Regierung müsse sich, wie weiland Ludwig der Vierzehnte, Franz der Erste oder Leo der Zehnte, dem Geheiß des Genies fügen. Die arme Hortense wähnte einen Phidias in ihren Armen zu halten. Sie hegte für ihren Stanislaus jene mütterliche Nachsicht, die liebende Frauen mitunter bis zum Götzendienst übertreiben.
    »Nimm dir nur Zeit!« sagte sie zu ihm. »Unsere ganze Zukunft hängt von dem Werke ab! Überhaste dich nicht! Schaffe ein Meisterwerk!«
    Sie besuchte ihn im Atelier, und der verliebte Steinbock vergeudete ganze Stunden damit, seiner Frau die Statue zu beschreiben, statt sie zu fördern. Einundeinhalb Jahr brauchte er so, ehe er diese für ihn wichtige Arbeit vollendete.
    Als das Standbild in Gips dastand, fand es Hortense bewundernswert. Hatte sie doch alle die ermüdenden Anstrengungen ihres Gatten miterlebt, dessen Gesundheit darunter sichtlich gelitten hatte. Ihr Vater, der von

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