Tante Lisbeth (German Edition)
prächtigem Schlafzimmer. Die gefährliche Pariserin verlieh ihrer Toilette jenes letzte Etwas, das eine Frau am besten selber hinzufügt. Die Türen waren verschlossen, die Vorhänge dicht zugezogen. Valerie erzählte bis in die kleinsten Einzelheiten alle Ereignisse des Abends, der Nacht und des Vormittags.
»Was sagst du dazu, Beste!« fragte sie am Schlusse. »Soll ich dermaleinst Frau Crevel oder die Marquise von Montejanos werden? Was rätst du mir?«
»Crevel lebt keine zehn Jahre mehr«, gab Lisbeth zur Antwort. »Er hat zu sehr gewüstet. Montes ist jung. Crevel würde dir etwa dreißigtausend Francs Rente hinterlassen. Laß den Brasilianer warten! Er ist auch so glücklich. Du heiratest ihn später. Dann bist du dreiunddreißig. Konserviere dich nur gut! Mit sechzigtausend Francs Rente wirst du einmal eine große Rolle in der Pariser Gesellschaft spielen, zumal als Protegé einer Frau Marschall!«
»Und Montes ist Brasilianer. Er wird es nie zu etwas bringen«, meinte Valerie.
»Wir kommen durch die Eisenbahnen in ein Zeitalter des Verkehrs, und die Ausländer werden in Frankreich noch zu großem Einfluß gelangen.«
»Wir wollen warten«, erklärte Valerie, »bis Marneffe tot ist. Er wird bald ausgelitten haben.«
»Ich will Hortense einen Besuch machen.«
»Famos!« frohlockte Valerie. »Bring mir den Künstler! Wir haben in drei Jahren keine Handbreit Terrain gewonnen. Eine Schande für uns beide! Stanislaus und Heinrich, das sind meine beiden Passionen. Der eine die Liebe und der andere die Phantasie!«
»Wie schön du heute bist!« rief Lisbeth, indem sie die Freundin um den Leib faßte und sie küßte. »Ich genieße alle deine Freuden, Erfolge und Toiletten mit. Seit wir beide Schwestern geworden sind, lebe ich erst!«
»Warte mal, Wildkatze«, lachte Valerie, »dein Schal sitzt schlecht. Drei Jahre lang gebe ich dir nun schon Unterricht in derlei Dingen, und trotzdem verstehst du noch nicht einmal, einen Schal umzulegen. Und du willst Frau Marschallin werden!«
Lisbeth hatte ein seidenes Kleid an, Siefelchen aus feinem Leder und grauseidene Strümpfe; auf dem gutfrisierten Haar trug sie einen sehr hübschen schwarzen Samthut mit gelbem Seidenfutter. So ging sie über den Boulevard des Invalides nach der Rue Saint-Dominique. Unterwegs fragte sie sich: Wird mir Hortense in ihrer Mutlosigkeit endlich ihr starkes Herz erschließen, und wird Stanislaus in seiner slawischen Sprunghaftigkeit, bestürmt zu einer Stunde, wo bei solchen Naturen alles möglich ist, nachgeben?
Hortense und Stanislaus bewohnten das Erdgeschoß eines Hauses an der Ecke der Rue Saint-Dominique und der Esplanade des Invalides. Als Lisbeth kam, war Hortense eben mit dem Ankleiden ihres Söhnchens fertig geworden und hatte das Kind in den Garten bringen lassen.
»Guten Tag, Tante Lisbeth!« wurde sie von der jungen Frau begrüßt, die selbst öffnete. Die Köchin war auf den Markt gegangen; das Stubenmädchen, das zugleich das Kind mit versorgen mußte, hatte zu waschen.
»Guten Tag, Kindchen!« erwiderte Lisbeth und umarmte Hortense. »Stanislaus ist wohl im Atelier?«
»Nein, er plaudert mit Stidmann und Chanor im Salon.«
»Können wir ungestört miteinander reden?«
»Komm mit in mein Zimmer!«
Das Boudoir war mit persischem Stoff tapeziert – rote Blumen und grüne Ranken auf weißem Grund –, aber Wände wie Teppich waren bereits in der Sonne verschossen. Die Vorhänge sahen grau aus; offenbar waren sie seit langem nicht gewaschen worden. Man spürte, daß Stanislaus hier geraucht hatte. Der Meister und Grandseigneur pflegte die Asche seiner Zigarren an den Stuhllehnen und ähnlichen schönen Dingen abzustoßen, wie das verwöhnte Männer tun, denen alles nachgesehen wird, sorglose Künstler, die sich an bürgerliche Ordnung nicht gewöhnen mögen.
»So, nun können wir deine Sache einmal besprechen«, begann Lisbeth, als sie sah, daß die schöne Frau schweigsam im Fauteuil verharrte, in den sie gesunken war. »Was hast du denn? Du siehst so blaß aus, liebe Hortense.«
»Es sind zwei Aufsätze in den Zeitungen erschienen, in denen mein armer Mann heruntergemacht wird. Ich habe sie gelesen, sie ihm aber vorenthalten. Es würde ihn ganz und gar mutlos machen. Die Marmorstatue des Marschalls Montcornet wird für völlig mißlungen erklärt. Die Reliefs am Sockel läßt man ja gelten, aber auch nur mit der tückischen Absicht, Stanislaus als lediglich für die Ornamentik begabt hinzustellen; man will damit
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