Tante Lisbeth (German Edition)
dermaleinst ein hübsches bißchen, ganz besonders wenn ihr mir behilflich seid, den Marschall zu heiraten. Wenn alles klappt, dann eßt ihr alle bei mir, ihr und eure Mutter. Ach, wie glücklich kann das Zusammenleben werden! Für den Augenblick folgt meiner langjährigen Erfahrung! Nehmt eure Zuflucht nicht zum Leihhaus! Das führt immer ins Verderben. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß den Armen bei der Verlängerung das nötige Geld zu den Zinsen fehlt, und dann ist das Versatzstück verloren. Ich kann euch Geld zu fünf Prozent gegen einen bloßen Schuldschein verschaffen.«
»Dann wären wir ja gerettet!« frohlockte Hortense.
»Stanislaus wird mit zu der Person kommen, die auf meine Fürsprache hin die Sache machen wird. Eine Frau Marneffe. Sie ist ein bißchen eitel, wie Emporkömmlinge so sind. Man muß ihr ein wenig schmeicheln, dann hilft sie einem auf die freundlichste Art der Welt aus der Verlegenheit. Du wirst ihr dann auch deinen Besuch machen, liebe Hortense.«
Hortense warf einen Blick auf Stanislaus, als ob sie mit dieser Aufforderung zum Tode verurteilt wäre und das Schafott besteigen sollte.
»Claude Vignon hat Stidmann mit ihr bekannt gemacht«, meinte Steinbock. »Die Marneffes sollen ein sehr nettes Haus führen.«
Hortense senkte den Kopf.
Sie empfand etwas Unbeschreibliches, nicht Schmerz: eine richtige Krankheit.
»Aber, meine liebe Hortense«, rief Lisbeth aus, die Hortenses beredte Erregtheit begriff, »füg dich doch in das Leben! Es wird dir sonst noch gehen wie deiner Mutter. Im Getriebe der Welt muß man die Menschen wie Marionetten nehmen, die man spielen läßt, wenn man sie braucht. Bedient euch der Frau Marneffe, Kinder, und schiebt sie dann wieder beiseite. Hast du Angst, daß sich Stanislaus, der dich vergöttert, in eine Frau verlieben könne, die vier bis fünf Jahre älter ist als du und abgenutzt wie ein alter Schuh?«
»Ich will doch lieber meine Brillanten versetzen«, meinte Hortense. »Geh niemals zu ihr, Stanislaus! Sie ist eine Teufelin!«
»Hortense hat recht«, bestätigte Steinbock, indem er seine Frau küßte.
»Ich danke dir, Liebster!« flüsterte die junge Frau überglücklich. »Siehst du, Lisbeth, mein Mann ist ein Ideal. Er spielt nicht; überallhin gehen wir zusammen. Und wenn er auch noch fleißig wäre... nein, das wäre des Glücks zuviel! Warum sollten wir bei der Mätresse meines Vaters verkehren? Bei einem Frauenzimmer, das ihn zugrunde richtet und das die Urheberin all des Kummers meiner heldenmütigen Mutter ist?«
»Liebes Kind«, warf Lisbeth ein, »der Ruin deines Vaters hat andere Ursachen. Die Sängerin hat ihn zugrunde gerichtet und dann deine Heirat. Bei Gott, Frau Marneffe hat ihm nur genützt ... na, aber ich darf ja nichts sagen.«
»Du hältst es mit aller Welt, liebe Tante Lisbeth!«
Hortense wurde durch das Schreien ihres Kindes in den Garten gerufen. Lisbeth und Stanislaus blieben allein im Zimmer zurück.
»Deine Frau ist ein Engel, Stanislaus!« sagte Lisbeth. »Liebe sie ja und tue ihr nie ein Leid an!«
»Ach, ich liebe sie ja so, daß ich ihr unsere Lage verheimliche«, gab Steinbockzur Antwort. »Aber mit dir, liebe Lisbeth, kann ich ja reden. Siehst du, selbst wenn die Brillanten meiner Frau nach dem Leihhause wandern, sind wir immer noch in der Klemme...«
»Na also! Pumpe Frau Marneffe an!« sagte Lisbeth. »Überrede deine Frau oder – zum Donnerwetter! – geh hin, ohne daß sie es merkt!«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, antwortete er. »Ich bin nur nicht darauf eingegangen, um Hortense nicht zu betrüben.«
»Höre mich einmal an, Stanislaus. Ich hab euch beide viel zu lieb, als daß ich euch nicht vor der Gefahr warnte. Wenn du zu Frau Marneffe gehst, dann halt dein Herz fest, denn das Weib ist ein Satan. Wer sie kennenlernt, ist in sie verliebt. Sie ist eine große Verführerin und Sünderin! Sie nimmt einen gefangen wie ein Meisterwerk. Nimm ihr Geld, aber laß ihr deine Seele nicht zum Pfände! Ich wäre untröstlich, wenn meine Hortense hintergangen würde. Still! Da ist sie. Ich werde die Sache arrangieren.«
»Bedanke dich bei Tante Lisbeth!« sagte Stanislaus zu der Zurückgekommenen. »Sie will uns aus der Verlegenheit helfen und uns ihre Ersparnisse leihen.«
Er machte Lisbeth ein Zeichen. Sie verstand es.
»Hoffentlich wirst du nun auch tüchtig arbeiten, mein Meister!« sagte Hortense.
»Ja, von morgen an!« gab der Künstler zur Antwort.
»Dieses Morgen, das ist unser
Weitere Kostenlose Bücher